Die Digitalisierung hat die Arbeitswelt grundlegend verändert – und wird dies in den kommenden Jahren weiter tun. Meetings per Teams oder Zoom gehören spätestens seit der Pandemie zum guten Ton und ersetzen vielfach persönliche Treffen sowie den damit verbundenen Zeit- und Reiseaufwand. Von diesem Trend gibt es nur eine wesentliche Ausnahme: Die Betriebsratsarbeit läuft – eingeengt durch rechtliche Rahmenbedingungen – vielfach noch so ab wie vor 30 oder 40 Jahren. Wird es nicht höchste Zeit für eine digitale Betriebsratsarbeit?

Inhaltsverzeichnis:

  1. Ideen für eine digitale Betriebsratsarbeit
  2. Ein Umdenken ist dringend notwendig
  3. Digitale Betriebsratsarbeit: Was ist heute möglich?
  4. Was brachte das Betriebsrätemodernisierungsgesetz?
  5. Digitale Betriebsratsarbeit und der Datenschutz
  6. Fazit: Es wird Zeit für mehr Digitalisierung

Ideen für eine digitale Betriebsratsarbeit

Ideen für eine digitale Betriebsratsarbeit, die der heutigen Zeit und ihren Anforderungen entsprechen würde, gibt es viele: Online-Betriebsversammlungen können dazu gehören, ebenso Betriebsratssitzungen per Videocall. Vielleicht sogar die Möglichkeit, Betriebsratswahlen nicht nur in Präsenz zu veranstalten, sondern zusätzlich einen digitalen Weg der Mitbestimmung zu ermöglichen. Erfreulich: Auch im politischen Raum kommt immer mehr Bewegung in die Diskussionen über eine digitale Betriebsratsarbeit – beispielsweise mit verschiedenen Anträgen im Bundestag.

Rechtlicher Rahmen bremst aktuell die Digitalisierung

„Über das Für und Wider der digitalen Möglichkeiten lässt sich natürlich ausgiebig diskutieren. Tatsache ist allerdings, dass Digitalisierung auch in der Betriebsratsarbeit zu mehr Tempo und Flexibilität führen könnte – doch das allermeiste ist derzeit aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen nicht möglich“, unterstreicht Rainer Knoob, selbst Betriebsrat bei Airbus mit langer Erfahrung und Vorstandsvorsitzender der unabhängigen Arbeitnehmervertretung AUB.

Ein Umdenken ist dringend notwendig

Der Wunsch von Rainer Knoob lautet daher: „In den Unternehmen, bei den Betriebsräten, aber insbesondere in der Politik wäre ein Umdenken dringend geboten. Ist es nicht erstaunlich, dass Unternehmen ihre Geschäftsprozesse immer weiter digitalisieren – und Betriebsräte weiterhin in ein enges rechtliches Korsett aus früheren Jahrzehnten eingezwängt sind?“ Schließlich ist die Digitalisierung schon lange in der Arbeitswelt angekommen – und auch nicht mehr umkehrbar.

„Berge an Papier, Betriebsratsversammlungen ausschließlich vor Ort und Betriebsratswahlen nur in Präsenz bilden zwar weiterhin den Alltag der Betriebsratsarbeit, sind aber nicht mehr zeitgemäß”, unterstreicht Rainer Knoob weiter. Zu vergleichen ist die analoge Betriebsratsarbeit in der heutigen, digitalisierten Welt mit dem Standard einer Dampfmaschine – die schlichtweg aus der Zeit gefallen ist.

Digitale Betriebsratsarbeit: Was ist heute möglich?

Aus Sicht vieler Experten steht fest: Die Digitalisierung eröffnet für die tägliche Betriebsratsarbeit zahlreiche neue und vielversprechende Wege zur Kommunikation und Organisation – wenn sie denn genutzt werden dürften. Digitale Plattformen ermöglichen eine effiziente Zusammenarbeit, den schnellen Informationsaustausch und die Einbindung von Mitarbeitern, die an verschiedenen Standorten oder im Homeoffice arbeiten. Jedoch erfordert dies auch ein Umdenken in der Arbeitsweise des Betriebsrats und die Sicherstellung von datenschutzrechtlichen Aspekten sowie von Vertraulichkeit.

Digitale Betriebsratssitzungen: Aktuell nicht (mehr) zulässig

Rainer Knoob bringt ein weiteres Hindernis auf den Punkt: „Der Spielraum, den das geltende Recht den Betriebsräten bei der Digitalisierung ihrer Arbeit lässt, ist viel zu eng und sollte dringlich den heutigen Zeiten angepasst werden. Eine Reform ist überfällig.“ Hintergrund: Laut den Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) sind Betriebsratssitzungen grundsätzlich als Präsenzveranstaltungen abzuhalten. Die COVID-19-Pandemie hat zwar zu temporären Änderungen geführt, diese sind jedoch mittlerweile großteils wieder passé.

Digitale Betriebsversammlungen: Ausnahmeregelung ist ausgelaufen

Während der Pandemie waren digitale Betriebsversammlungen zwar zulässig. So wurden übergangsweise hybride Formate oder sogar ausschließlich virtuell stattfindende Betriebsversammlungen gestattet. Dies ist heute wieder vorbei – ein Punkt, den viele Betriebsräte bemängeln. Denn die Sonderregelung, die aufgrund der Pandemie im Mai 2020 mit § 129 BetrVG beschlossen wurde, ist nun wieder ersatzlos gestrichen.

Digitale Betriebsratswahlen: Ein Zukunftstraum

Die Durchführung digitaler Betriebsratswahlen ist nach aktuellem Stand des BetrVG ebenfalls nicht zulässig. „Es gibt immerhin Diskussionen und Bestrebungen, auch auf Ebene der Bundespolitik, das BetrVG entsprechend zu modernisieren, um digitale Wahlen unter entsprechenden Auflagen zu ermöglichen“, schildert Ingrid Brand-Hückstädt, Fachanwältin für Arbeitsrecht. Allerdings: Bis etwa der Bundestag dazu zu Beschlüssen komme, könne erfahrungsgemäß noch viel Zeit vergehen.

Was brachte das Betriebsrätemodernisierungsgesetz?

Aktuell sind somit nur erste, zarte Schritte hin zu einer digitalen Betriebsratsarbeit erkennbar. Erste Neuerungen waren etwa mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz verbunden, das am 18. Juni 2021 in Kraft getreten ist. So heißt es nun im Betriebsverfassungsgesetz § 30 Abs. 2 BetrVG:

„Abweichend von Absatz 1 Satz 5 kann die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn

  1. die Voraussetzungen für eine solche Teilnahme in der Geschäftsordnung unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festgelegt sind,
  • nicht mindestens ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats binnen einer von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Frist diesem gegenüber widerspricht und
  • sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Eine Aufzeichnung der Sitzung ist unzulässig.“

Doch Digitalisierung werde hier weiterhin als Ausnahme betrachtet, erklärt Rechtsanwältin Ingrid Brand-Hückstädt weiter: „Auch mit dieser Neufassung erklärt der Gesetzgeber weiterhin die Präsenzsitzung zum Regelfall.“ Zudem müssten Betriebsräte dazu auch ihre Geschäftsordnungen anpassen.

Digitale Betriebsratsarbeit und der Datenschutz

Ein zentrales Thema in der digitalen Betriebsratsarbeit bildet der Datenschutz – sowie die Sicherstellung aller damit verbundenen Anforderungen an Datensicherheit und Datenschutz. Wichtig: Die Nutzung von digitalen Tools muss datenschutzkonform erfolgen, insbesondere im Hinblick auf die Verarbeitung personenbezogener Daten der Mitarbeiter.

Betriebsräte müssen sich mit den Grundlagen der DSGVO auseinandersetzen und sicherstellen, dass eingesetzte digitale Werkzeuge den Datenschutzbestimmungen entsprechen. Die AUB etwa bietet für Betriebsräte umfassende Schulungen und Seminare zu verschiedenen Themen ihrer täglichen Arbeit an.

Fazit: Es wird Zeit für mehr Digitalisierung

Die Digitalisierung bietet dem Betriebsrat neue Möglichkeiten, stellt ihn aber auch vor Herausforderungen – insbesondere im rechtlichen Bereich. Eines dürfte dabei klar sein: Zunächst ist eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen erforderlich, um die digitale Transformation in der Betriebsratsarbeit zu unterstützen und gleichzeitig die Rechte der Mitarbeiter zu wahren. Die Entwicklung in diesem Bereich sollte von Betriebsräten aktiv verfolgt und mitgestaltet werden.

„Unter diesen Voraussetzungen bietet die digitale Betriebsratsarbeit großes Potenzial, noch zielgerichteter und schneller in der Arbeit zu werden und gleichzeitig auch weitere Kolleginnen und Kollegen für eine aktive Mitwirkung zu gewinnen“, zeigt sich Rainer Knoob überzeugt. Sein Fazit: „Die Zukunft wird zeigen, wie und vor allem wie schnell sich die Gesetzgebung an die veränderten Anforderungen der digitalen Arbeitswelt anpassen wird.“

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