Wirtschaftliche Unsicherheiten rücken im Jahr 2024 das Thema Kurzarbeit wieder verstärkt in den Fokus. Welche Rolle kommt dabei dem Betriebsrat zu? Welche Rechte und Pflichten hat der Betriebsrat im Zusammenhang mit Kurzarbeit? Und wie sieht es aus, wenn es keinen Betriebsrat gibt? In diesem umfassenden Artikel finden Sie Antworten zu den wichtigsten Aspekten rund um das Thema Kurzarbeit und Betriebsrat.
Inhaltsverzeichnis:
- Kurzarbeit – kurz erklärt
- Kurzarbeit: Mitbestimmung durch den Betriebsrat
- Kann der Betriebsrat Kurzarbeit ablehnen?
- Kurzarbeit ohne Betriebsrat – ist das möglich?
- Der Betriebsrat und die Beendigung der Kurzarbeit
- Checkliste: Rechte und Pflichten des Betriebsrates
- Fazit
Kurzarbeit – kurz erklärt
Kurzarbeit ist ein Instrument, das Unternehmen nutzen können, um vorübergehende wirtschaftliche Schwierigkeiten zu bewältigen. In Zeiten von Auftragsrückgängen oder Produktionsausfällen wird die Arbeitszeit der Mitarbeiter reduziert, und das Gehalt wird entsprechend angepasst. Den betroffenen Beschäftigten wird jedoch durch das sogenannte Kurzarbeitergeld (KUG) ein Teil ihres Verdienstausfalls ausgeglichen, den die Bundesagentur für Arbeit übernimmt. Was Kurzarbeit für Arbeitnehmer bedeutet, können Sie in einem weiteren Blogartikel ausführlich nachlesen.
Kurzarbeit: Mitbestimmung durch den Betriebsrat
Die Einführung von Kurzarbeit stellt für viele Unternehmen eine existenzsichernde Maßnahme dar, um Entlassungen zu vermeiden. Doch was bedeutet dies für die Arbeitnehmervertretung? Das Wichtigste vorab: Die Zustimmung des Betriebsrates ist gemeinhin erforderlich, um Kurzarbeit rechtmäßig umzusetzen. Ingrid Brand-Hückstädt, Fachanwältin für Arbeitsrechte und AUB-Expertin, erklärt dazu: „Nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht in Fragen der Verkürzung und Verlängerung der Arbeitszeit. Kurzarbeit fällt eindeutig in diesen Bereich.“
Ohne Vereinbarung mit dem Betriebsrat geht es nicht
Daraus folgt: Ein Unternehmen Kurzarbeit kann nicht einfach einseitig anordnen. Vielmehr bedarf es einer Vereinbarung mit dem Betriebsrat – dieser hat das Recht, über die Bedingungen, den Umfang und die Dauer der Kurzarbeit mitzuentscheiden. In der Praxis bedeutet das, dass der Betriebsrat nicht nur „Ja“ oder „Nein“ sagen kann, sondern aktiv die Konditionen der Kurzarbeit mitgestalten kann. Wichtig ist außerdem: Eine Änderung der Arbeitsverträge hinsichtlich der Arbeitszeit und der Lohnzahlung für die Dauer der Kurzarbeit ist nur in Form einer Betriebsvereinbarung (§ 77 Abs. 2 BetrVG) möglich.
Kann der Betriebsrat Kurzarbeit ablehnen?
Eine der zentralen Fragen, die immer wieder auch an die AUB gestellt werden, lautet: Kann der Betriebsrat Kurzarbeit ablehnen? Die klare Antwort lautet: Ja, der Betriebsrat hat das Recht, der Einführung von Kurzarbeit zu widersprechen. „Dies ist jedoch ein schwieriger Schritt und sollte wohlüberlegt sein, da eine Ablehnung weitreichende Konsequenzen für das Unternehmen und die Belegschaft haben kann“, erläutert Ingrid Brand-Hückstädt dazu.
Mögliche Gründe für eine Ablehnung
Ein häufiger Grund für die Ablehnung durch den Betriebsrat könnte sein, dass die wirtschaftliche Notwendigkeit der Kurzarbeit vom Unternehmen nicht ausreichend belegt wird. Andererseits gibt es auch die Möglichkeit, dass der Betriebsrat eigene Bedingungen stellt. Die Fachanwältin für Arbeitsrecht sagt weiter: „Beispielsweise kann der Betriebsrat darauf bestehen, dass soziale Härten durch Ausgleichszahlungen abgefedert werden oder dass bestimmte Arbeitnehmergruppen von der Kurzarbeit ausgenommen werden.“
Wichtig ist dabei eines: Prinzipiell hat der Betriebsrat die Interessen der gesamten Belegschaft im Blick zu behalten. Eine pauschale Ablehnung von Kurzarbeit kann zu Entlassungen führen – gerade in der aktuell angespannten wirtschaftlichen Situation – und sollte daher sehr gut abgewogen werden.
Kurzarbeit ohne Betriebsrat – Ist das möglich?
Doch was passiert, wenn in einem Unternehmen kein Betriebsrat vorhanden ist? Ist Kurzarbeit auch ohne Betriebsrat möglich? Ingrid Brand-Hückstädt dazu: „Die Antwort lautet Ja, doch die Voraussetzungen sind anders.“ In Betrieben ohne Betriebsrat muss das Unternehmen mit jedem Mitarbeiter eine Einzelvereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit treffen. Dies erfolgt in der Regel durch die Änderung des bestehenden Arbeitsvertrages.
Alternativ kann Kurzarbeit in Betrieben ohne Betriebsrat unter bestimmten Voraussetzungen auch durch tarifvertragliche Regelungen eingeführt werden. In solchen Fällen gelten die entsprechenden tariflichen Bestimmungen. Sie geben oft bereits den Rahmen für die Einführung und Durchführung von Kurzarbeit vor.
Der Betriebsrat und die Beendigung der Kurzarbeit
Auch wenn Kurzarbeit einmal eingeführt ist, bleibt der Betriebsrat in die weiteren Prozesse involviert. So hat der Betriebsrat auch bei der Beendigung der Kurzarbeit ein wesentliches Mitbestimmungsrecht. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber nicht einseitig entscheiden kann, wann die normale Arbeitszeit wieder eingeführt wird. Es bedarf einer Abstimmung mit dem Betriebsrat über den Zeitpunkt und die konkreten Modalitäten der Rückkehr zur regulären Arbeitszeit.
Ingrid Brand-Hückstädt beleuchtet die Hintergründe: „Diese Regelung soll verhindern, dass Arbeitgeber die Kurzarbeit unnötig in die Länge ziehen oder zu einem willkürlichen Zeitpunkt beenden, ohne Rücksicht auf die Belange der Arbeitnehmer. Es geht hierbei also um einen fairen Ausgleich der Interessen beider Seiten.“
Checkliste: Rechte und Pflichten des Betriebsrates
Die Rolle des Betriebsrates rund um das Thema Kurzarbeit beschränkt sich nicht nur auf die Entscheidung, ob die Maßnahme eingeführt wird oder nicht. Vielmehr gibt es eine Reihe von Rechten und Pflichten, die den Betriebsrat in diesem Zusammenhang betreffen:
- Informationsrecht: Der Betriebsrat muss vom Arbeitgeber umfassend über die wirtschaftliche Lage und die Notwendigkeit der Kurzarbeit informiert werden. Dies umfasst auch Prognosen über die Dauer der Kurzarbeit und mögliche Alternativen.
- Beratungsrecht: Der Betriebsrat hat das Recht, Beratungen mit der Belegschaft durchzuführen und deren Meinungen in die Entscheidungen einzubringen.
- Überwachungsrecht: Der Betriebsrat hat die Aufgabe, die Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen zu überwachen und sicherzustellen, dass die Kurzarbeit korrekt umgesetzt wird.
- Verhandlungsrecht: In Verhandlungen mit dem Arbeitgeber über die Kurzarbeit kann der Betriebsrat auch eigene Vorschläge einbringen, zum Beispiel zur Dauer, dem Umfang oder besonderen Schutzmaßnahmen für bestimmte Arbeitnehmergruppen.
- Mitspracherecht bei der Verteilung der Arbeitszeit: Bei der Festlegung, wer von der Kurzarbeit betroffen ist, hat der Betriebsrat ebenfalls ein Mitbestimmungsrecht. Hierbei können soziale Kriterien eine wichtige Rolle spielen.
Kurzarbeit: Aufgaben des Betriebsrates im Überblick
Hier ein Überblick für Betriebsräte zu wichtigen Aufgaben, die im Zuge der Vorbereitung, Einführung und Beendigung von Kurzarbeit zu beachten sind:
Aktion | Details | Aufgabe des Betriebsrates |
Information und Begründung durch den Arbeitgeber | Arbeitgeber muss den Betriebsrat über geplante Kurzarbeit informieren und die wirtschaftlichen Gründe offenlegen. | Den Arbeitgeber auffordern, eine detaillierte und nachvollziehbare Begründung für die Kurzarbeit vorzulegen (inkl. Prognosen). |
Einsicht in Unternehmensunterlagen | Betriebsrat hat das Recht, in relevante Unterlagen wie Bilanzen, Auftragsbücher und Planungen Einsicht zu nehmen. | Unterlagen zur wirtschaftlichen Lage des Unternehmens anfordern, um die Notwendigkeit der Kurzarbeit zu überprüfen. |
Prüfung alternativer Maßnahmen | Gibt es andere Optionen, wie Überstundenabbau, Versetzung, Schulungen oder Homeoffice, die Kurzarbeit vermeiden könnten? | Mit dem Arbeitgeber alternative Modelle besprechen und darauf hinwirken, dass Kurzarbeit als letzte Option genutzt wird. |
Erstellung einer eigenen Einschätzung | Betriebsrat sollte eine eigene Bewertung der wirtschaftlichen Situation erstellen oder Experten hinzuziehen. | Bei Bedarf externe Berater oder Gewerkschaften konsultieren, um die wirtschaftlichen Informationen zu prüfen und zu bewerten. |
Abstimmung mit der Belegschaft | Den Austausch mit der Belegschaft suchen, um deren Meinung und eventuelle Bedenken in den Verhandlungsprozess einzubringen. | Eine Betriebsversammlung einberufen oder informelle Gespräche führen, um ein Meinungsbild der betroffenen Arbeitnehmer zu erhalten. |
Vorbereitung der Verhandlungen | Der Betriebsrat bereitet sich auf Verhandlungen mit dem Arbeitgeber vor, um die Interessen der Arbeitnehmer zu wahren. | Klare Forderungen aufstellen (zum Beispiel zur Höhe des Kurzarbeitergeldes, Arbeitszeiteinteilung, soziale Kriterien). |
Verhandlungen mit dem Arbeitgeber | Die Rahmenbedingungen der Kurzarbeit (Dauer, Umfang, Ausgleichszahlungen etc.) werden in Verhandlungen festgelegt. | Eigenen Vorschlägen Nachdruck verleihen; eventuell soziale Ausgleichsmaßnahmen (zum Beispiel Zusatzleistungen für betroffene Arbeitnehmer) einfordern. |
Abschluss der Betriebsvereinbarung | Wenn der Betriebsrat der Kurzarbeit zustimmt, wird eine Betriebsvereinbarung geschlossen, die alle Details regelt. | Betriebsvereinbarung über die Einführung und Umsetzung der Kurzarbeit verhandeln und formell festhalten. Achten Sie auf klare Regelungen zur Dauer und Beendigung. |
Regelmäßige Kontrolle der Umsetzung | Der Betriebsrat überwacht die korrekte Durchführung der vereinbarten Kurzarbeit, insbesondere bezüglich der Arbeitszeit und Lohnanpassungen. | Kontinuierliche Kontrolle der Arbeitszeiteinteilung und Gehaltsanpassungen; sicherstellen, dass alle Vereinbarungen eingehalten werden. |
Regelmäßige Überprüfung der Notwendigkeit | Der Betriebsrat sollte regelmäßig überprüfen, ob die Kurzarbeit noch notwendig ist oder ob sie vorzeitig beendet werden kann. | Mit dem Arbeitgeber regelmäßig die wirtschaftliche Situation prüfen, um eine Anpassung oder Beendigung der Kurzarbeit zu besprechen. |
Schutz bestimmter Arbeitnehmergruppen | Der Betriebsrat kann fordern, dass bestimmte Arbeitnehmergruppen (zum Beispiel Alleinerziehende, Schwerbehinderte) bei der Verteilung der Kurzarbeit berücksichtigt werden. | Sicherstellen, dass die Verteilung der Kurzarbeit nach sozialen Kriterien erfolgt und benachteiligte Gruppen geschützt werden. |
Einbeziehung von Auszubildenden | Der Einsatz von Auszubildenden während der Kurzarbeit sollte gesondert geregelt werden. | Mit dem Arbeitgeber festlegen, wie mit Auszubildenden umgegangen wird (zum Beispiel Weiterführung der Ausbildung ohne Gehaltskürzung). |
Kurzarbeit und Weiterbildung | In der Kurzarbeitsphase können Möglichkeiten der Weiterbildung genutzt werden, um Qualifikationen zu fördern. | Mit dem Arbeitgeber über mögliche Fortbildungen während der Kurzarbeit sprechen und für gezielte Qualifizierungen werben. |
Verteilung der Arbeitszeit während Kurzarbeit | Der Betriebsrat hat Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung, wer wie lange und in welchem Umfang von Kurzarbeit betroffen ist. | Einfluss auf die Arbeitszeitverteilung nehmen und sicherstellen, dass die Arbeitslast fair und sozialverträglich verteilt wird. |
Beendigung der Kurzarbeit | Der Betriebsrat muss bei der Entscheidung über die Beendigung der Kurzarbeit beteiligt werden und kann die Rückkehr zur normalen Arbeitszeit mitgestalten. | Mit dem Arbeitgeber die Rückkehr zur regulären Arbeitszeit verhandeln; Übergangsmodelle oder stufenweise Rückkehr diskutieren. |
Einflussnahme auf Zusatzleistungen | Betriebsräte können Zusatzleistungen wie Aufstockungen zum Kurzarbeitergeld fordern, um Einkommenseinbußen zu minimieren. | Verhandlungen führen, um Aufstockungszahlungen oder andere finanzielle Unterstützung während der Kurzarbeit durchzusetzen. |
Dokumentation und Archivierung | Alle Verhandlungen und Vereinbarungen zur Kurzarbeit sollten dokumentiert und archiviert werden. | Protokolle führen und alle relevanten Unterlagen aufbewahren, um spätere Überprüfungen und Nachverhandlungen zu erleichtern. |
Fazit
Die Einführung von Kurzarbeit stellt eine schwerwiegende Maßnahme dar, die tief in das Arbeitsverhältnis eingreift und für die Arbeitnehmer große Auswirkungen hat. Unser Blog-Artikel zum diesem Thema. Dem Betriebsrat kommt dabei die Aufgabe zu, die Interessen der Belegschaft zu wahren, während gleichzeitig die wirtschaftliche Stabilität des Unternehmens zu berücksichtigen ist.
Betriebsratsmitglieder haben somit eine verantwortungsvolle Funktion inne, um im Dialog mit dem Arbeitgeber die besten Lösungen für alle Beteiligten zu finden. Sie haben weitergehende Fragen zu diesem Thema? Die AUB-Ansprechpartner unterstützen Sie im Rahmen unserer Rechtsberatung für Betriebsräte gerne!