Wer leistet schon gerne regelmäßig Mehrarbeit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus? Und das womöglich noch ohne Bezahlung oder Anrechnung der Überstunden? Das Thema Arbeitszeiterfassung ist höchst sensibel und führt naturgemäß immer wieder zu Konflikten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Dabei sollte heute klar sein: Ohne systematische Erfassung der Arbeitszeit geht es nicht! Diese Erfassung dient nicht nur der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, sondern schützt auch Ihre Rechte als Arbeitnehmer. In diesem Artikel erfahren Sie alles Wissenswerte über die gesetzlichen Bestimmungen zur Arbeitszeiterfassung und zur aktuellen Rechtslage.
Inhaltsverzeichnis
- Gesetzliche Grundlagen der Arbeitszeiterfassung
- Bedeutung der Arbeitszeiterfassung für Arbeitnehmer
- Praktische Umsetzung der Arbeitszeiterfassung
- Fazit
Gesetzliche Grundlagen der Arbeitszeiterfassung
Die Ausgangslage ist klar: Mit Entwicklungen in der Rechtsprechung der vergangenen Jahre ist die Arbeitszeiterfassung für viele Unternehmen verpflichtend geworden. Dennoch bestehen weiterhin Unklarheiten bezüglich der Ausführung – nicht zuletzt, da geplante Gesetzestexte zu diesem Thema innerhalb der Ampel-Bundesregierung nicht bis zur Verabschiedung gebracht wurden. So gab beispielsweise ein – nicht beschlossener – Gesetzentwurf aus dem April 2023 vor, dass die Erfassung von Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit täglich, auf elektronische Weise und noch am selben Tag zu erfolgen hat.
Das war Rechtslage vor 2019
Bis zum Mai 2019 hatten Unternehmen auf Basis des Arbeitszeitgesetzes in Deutschland lediglich die Pflicht, jene Arbeitszeit zu dokumentieren, die über acht Stunden pro Tag hinausgeht – also Überstunden – sowie die Sonn- und Feiertagsarbeit. De facto ist dies kaum möglich, ohne Anfang und Ende der regulären Arbeitszeit zu kennen. Das Arbeitszeitgesetz [BITTE sep. Blogartikel verlinken] fordert zwar eine korrekte Arbeitszeiterfassung, hatte jedoch keine detaillierte Erfassung zum Ziel.
Dennoch dient das Gesetz als wichtiger Orientierungspunkt, regelt es doch so zentrale Punkte wie
- Maximale Arbeitszeiten pro Tag
- Mindestdauer der täglichen Ruhezeiten
- Arbeit an Sonn- und Feiertagen
- Grundlegende Regeln zur Arbeitszeit
Wegweisende Gerichtsentscheidungen zur Arbeitszeiterfassung
Mit seinem Beschluss vom 13. September 2022 (Az. 1 ABR 22/21) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) eine richtungsweisende Entscheidung getroffen: In Deutschland ist demnach die gesamte Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu erfassen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus einer EU-Recht-konformen Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG).
Die BAG-Entscheidung basiert auf einem Urteil des EuGH vom 14. Mai 2019 (Rs. 55/18 CCOO). In diesem wurde festgelegt, dass Arbeitgeber ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit einführen müssen. Ziel ist es, die Einhaltung von Höchstarbeitszeiten sowie Ruhezeiten sicherzustellen und Arbeitnehmerrechte zu schützen. Das BAG hat wiederum verbindlich festgestellt, dass diese Verpflichtung auch für deutsche Unternehmen gilt.
Wer ist zur Arbeitszeiterfassung verpflichtet?
Grundsätzlich muss jeder Arbeitgeber sicherstellen, dass die Arbeitszeiten erfasst werden. Dies gilt unabhängig von der Betriebsgröße oder Branche. Arbeitgeber müssen nicht nur ein Zeiterfassungssystem bereitstellen, sondern sind auch verpflichtet, dessen Nutzung sicherzustellen. Eine bloße Bereitstellung ohne tatsächliche Nutzung reicht nicht aus. Damit besteht Handlungsbedarf für Unternehmen, die bislang auf eine formlose oder freiwillige Dokumentation gesetzt haben
Insbesondere Unternehmen, in denen Überstunden häufig anfallen oder flexible Arbeitszeiten genutzt werden, sollten entsprechende Systeme etablieren. In bestimmten Branchen wie dem Baugewerbe, der Gastronomie oder der Fleischwirtschaft gibt es weiterhin besondere Vorgaben.
Bedeutung der Arbeitszeiterfassung für Arbeitnehmer
Die systematische Erfassung der Arbeitszeit dient primär dem Schutz Ihrer Gesundheit als Arbeitnehmer. Die Erfassung stellt sicher, dass gesetzliche Höchstarbeitszeiten eingehalten und ausreichende Ruhepausen gewährt werden, um Überlastung und daraus resultierende gesundheitliche Probleme zu vermeiden.
Im Falle von Streitigkeiten über geleistete Arbeitsstunden dient die dokumentierte Arbeitszeiterfassung zugleich als wichtiger Nachweis. Sie kann entscheidend sein bei Auseinandersetzungen über Überstundenvergütungen oder bei rechtlichen Verfahren.
Denn wenn es um die Vergütung von Überstunden geht, liegt die Beweislast bei den Arbeitnehmenden. Die Beschäftigten müssen darlegen, warum die Überstunden gemacht wurden und dass diese vom Arbeitgebenden geduldet oder angeordnet worden sind.
Mitbestimmung des Betriebsrats
Ein zentrales Thema der BAG-Entscheidung war die Frage, ob Betriebsräte ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems haben. Das Gericht stellte klar, dass die gesetzliche Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bereits besteht, sodass kein Initiativrecht nach § 87 BetrVG gegeben ist. Dennoch bleibt der Betriebsrat bei der konkreten Ausgestaltung eines elektronischen Systems mitbestimmungspflichtig, insbesondere wenn dieses zur Überwachung von Arbeitnehmern eingesetzt werden kann. Betriebsvereinbarungen zur Arbeitszeit müssten unter Umständen angepasst werden. Gleichzeitig ist Artikel 5 DSGVO zu beachten, um die Arbeitszeiterfassung und Anforderungen des Datenschutzes auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.
Form und Umsetzung der Arbeitszeiterfassung
Es gibt bisher keine festen Vorgaben, in welcher Form die Arbeitszeit erfasst werden muss. Theoretisch ist sowohl eine digitale als auch eine handschriftliche Dokumentation möglich. Die Verantwortung für eine rechtskonforme Umsetzung liegt jedoch beim Arbeitgeber. Er kann die Erfassung auch an die Arbeitnehmer delegieren, bleibt jedoch weiterhin für die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben verantwortlich.
Methoden der Zeiterfassung
Manuelle Zeiterfassung
Hier tragen Arbeitnehmer ihre Arbeitszeiten händisch in Formulare oder Stundenzettel ein oder pflegen entsprechende Excel-Tabellen. Diese Methode ist einfach umzusetzen, jedoch fehleranfällig oder lässt sich denkbar einfach manipulieren.
Elektronische Zeiterfassung
Moderne Systeme wie Stechuhren oder digitale Terminals erleichtern die Erfassung und reduzieren den administrativen Aufwand.
Digitale Zeiterfassungs-Apps
Apps zur Arbeitszeiterfassung bieten ein hohes Maß an Flexibilität und sind besonders auch für das Homeoffice geeignet.
Arbeitszeiterfassung und Vertrauensarbeitszeit – was gilt?
Die Einführung einer verpflichtenden Zeiterfassung bedeutet nicht das Ende der Vertrauensarbeitszeit. Arbeitnehmer können weiterhin selbst über die Lage ihrer Arbeitszeit entscheiden. Allerdings müssen die erfassten Zeiten den gesetzlichen Vorgaben entsprechen, insbesondere im Hinblick auf Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten. Die neue Regelung soll also nicht die Flexibilität einschränken, sondern lediglich Transparenz und Arbeitsschutz gewährleisten.
Besonderheiten bei mobiler Arbeit
Die gesetzlichen Arbeitszeitvorgaben gelten unabhängig vom Arbeitsort, also auch im Homeoffice oder bei mobiler Arbeit. Auch hier müssen Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit dokumentiert werden.
Fazit
Die Arbeitszeiterfassung spielt eine wesentliche Rolle für den Schutz von Arbeitnehmerrechten und die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben. Mit der BAG-Entscheidung zur Arbeitszeiterfassung wird die Rechtsprechung des EuGH endgültig in deutsches Recht überführt. Arbeitgeber sind verpflichtet, Systeme zur Erfassung der gesamten Arbeitszeit einzuführen und deren Nutzung sicherzustellen. Unternehmen sollten sich daher frühzeitig mit den gültigen Anforderungen auseinandersetzen, um rechtliche Risiken zu vermeiden und eine gesetzeskonforme Umsetzung zu gewährleisten.