Tarifverhandlungen bilden das Grundgerüst des Miteinanders und regeln die Beziehungen und Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Diese Verhandlungen bestimmen nicht nur Löhne und Gehälter, sondern auch Arbeitszeiten, Urlaubsansprüche, Sozialleistungen und mehr. So wichtig dieser Prozess ist, so intransparent laufen die Verhandlungen oft ab. Hinzu kommt, dass Gewerkschaften genau genommen nur einen sehr kleinen Teil der Belegschaft repräsentieren.

Wie gestaltet sich der Ablauf von Tarifverhandlungen – und ist dies noch angemessen und zeitgemäß? In diesem Artikel finden Sie umfassende Einblicke, Hintergrundinformationen und Fragestellungen zur zukünftigen Gestaltung von Tarifverhandlungen.

Inhaltsverzeichnis:

  1. Wie laufen Tarifverhandlungen ab?
  2. Die Kunst des Verhandelns
  3. Die Beteiligten bei Tarifverhandlungen
  4. Von der Tarifverhandlung zur Einigung
  5. Fazit: Wie funktionieren Tarifverhandlungen?

Wie laufen Tarifverhandlungen ab?

Der Prozess und Ablauf von Tarifverhandlungen ist gleichermaßen komplex und für Laien oft kaum zu durchschauen. Dem Ganzen liegen eine detaillierte Planung und Durchführung zugrunde, gefragt ist zudem viel Verhandlungsgeschick.

Der gesamte Prozess lässt sich grundlegend in sechs Schritte strukturieren:

  1. Vorbereitung und Festlegung der eigenen Positionen
  2. Forderung zur Verhandlungsaufnahme
  3. Mehrere Verhandlungsrunden von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite
  4. Bei Nichteinigung: Schlichtungsverfahren oder Arbeitskampf-Maßnahmen
  5. Mitgliederbefragung nach Erzielen einer gemeinsamen Einigung
  6. Abschluss, Unterzeichnen und Wirksamwerden des neuen Tarifvertrags

Wie funktionieren Tarifverhandlungen im Detail?

Der erste Schritt besteht somit aus einer sorgfältigen Vorbereitung. Beide Verhandlungsseiten führen umfangreiche Analysen der wirtschaftlichen Situation, der Lage der jeweiligen Branche und der Bedingungen am Arbeitsmarkt durch. Diese Informationen sind grundlegend für die Entwicklung der eigenen Position oder auf Arbeitnehmerseite zur Festlegung der eigenen Forderungen – ob Lohnerhöhungen, verbesserte Arbeitsbedingungen oder flexiblere Arbeitszeiten.

Aufforderung zur Aufnahme von Verhandlungen

Nachdem die Forderungen entwickelt wurden, eröffnen in der Regel die Gewerkschaften offiziell die Tarifverhandlungen. Dieser Schritt erfordert eine formelle Mitteilung an die Arbeitgeberseite, in der Wünsche und Forderungen dargelegt werden. Die eigentlichen Verhandlungen sind oft langwierig und können sich über mehrere Runden erstrecken. Beide Seiten legen ihre Standpunkte dar, verhandeln Kompromisse und versuchen, eine Einigung zu erzielen, die für beide Seiten akzeptabel ist.

Die Kunst des Verhandelns

Die Kunst der Tarifverhandlungen liegt in der Fähigkeit, Kompromisse zu finden, ohne die Kerninteressen zu untergraben. Erfahrene Verhandlungsführer nutzen eine Vielzahl von Strategien und Techniken, um ihre Ziele zu erreichen. Dazu gehören detaillierte Marktanalysen, überzeugende Argumentation und manchmal auch der Einsatz von Druckmitteln wie Streikandrohungen, um den Verhandlungen Nachdruck zu verleihen.

Dazu bestehen die Tarifverhandlungen in ihrem Ablauf aus mehreren Verhandlungsrunden. Diese Treffen werden genutzt, um die verschiedenen Positionen zu diskutieren, Verhandlungsangebote auszutauschen und nach Kompromissen zu suchen. Es ist ein Prozess des Gebens und Nehmens, wobei beide Seiten versuchen, zu einer Einigung zu kommen, die ihre Kerninteressen widerspiegelt.

Eskalationsstufen und Schlichtungsverfahren

Nicht immer führen Tarifverhandlungen direkt zu einer Einigung. Wenn die Gespräche festgefahren sind, können Schlichtungsverfahren als Mittel zur Konfliktlösung eingesetzt werden. Ein neutraler Schlichter wird dann versuchen, eine Lösung zu finden, die für beide Seiten akzeptabel ist. Diese Verfahren sind ein wichtiges Instrument, um langwierige Arbeitskonflikte zu vermeiden. Dieser Schritt ist jedoch optional und kommt nur zum Einsatz, wenn beide Seiten zustimmen.

Die Beteiligten bei Tarifverhandlungen

Wer ist an Tarifverhandlungen beteiligt, wer vertritt bei Tarifverhandlungen die Interessen der Arbeitnehmer? Die Arbeitgeberseite wird entweder durch einzelne Unternehmen oder durch Arbeitgeberverbände repräsentiert, die mehrere Unternehmen einer Branche oder Region vertreten.

Auf der Seite der Arbeitnehmer kommt die Verhandlungsaufgabe traditionell allein den Gewerkschaften zu. Auch wenn sich diese Praxis über viele Jahre eingespielt hat, ist sie heutzutage nicht mehr unumstritten. Ein wesentliches Argument dagegen: Gewerkschaftsmitglieder bilden in den meisten Unternehmen die Minderheit. So berichtet das Institut der Deutschen Wirtschaft, dass überhaupt nur noch jeder sechste Arbeitnehmer in einer Gewerkschaft organisiert ist.

Rolle der Gewerkschaften ist umstritten

Sind Gewerkschaften damit überhaupt in der Lage und legitimiert, die Interessen aller Arbeitnehmer zu vertreten? Erhebliche Zweifel sind angebracht, unterstreicht Rainer Knoob, Vorstandsvorsitzender der AUB: „Da Gewerkschaften in den meisten Branchen und Unternehmen nur eine Minderheit der Belegschaft vertreten, ist ihre zentrale Funktion in Tarifverhandlungen zumindest fragwürdig.“

Fairness und Transparenz für alle Arbeitnehmer

Kritisch sieht Knoob insbesondere, dass es sich eingebürgert habe, dass Gewerkschaften Tarifverhandlungen nur noch für ihre Mitglieder führen – das heißt, Arbeitnehmer, die sich bewusst gegen eine Mitgliedschaft entscheiden, gehen leer aus. Zudem sind die Ergebnisse von Tarifverhandlungen für unabhängige Arbeitnehmer somit oft nicht mehr einsehbar. Rainer Knoob: „Offenkundig endet die vielbeschworene Solidarität der Gewerkschaften, wenn es um Eigeninteressen geht.“

Daher sieht der AUB-Vorstand an dieser Stelle den Gesetzgeber in der Pflicht, den Ablauf von Tarifverhandlungen zu reformieren und nach Möglichkeit neue Formen und Abläufe zu prüfen sowie weitere Beteiligte mit hoher Relevanz für die Belegschaft in den Unternehmen einzubeziehen.

Von der Tarifverhandlung zur Einigung

Doch zurück zur Frage, wie Tarifverhandlungen ablaufen. Ein zentraler Aspekt der Tarifverhandlungen ist die demokratische Legitimation der erzielten Ergebnisse. Nach Abschluss der Verhandlungen werden die Ergebnisse den Mitgliedern – wiederum ausschließlich der Gewerkschaften – zur Abstimmung vorgelegt. Nur wenn eine Mehrheit zustimmt, wird der Tarifvertrag angenommen.

Implementierung des Tarifvertrags

Nach der Zustimmung durch die Gewerkschaftsmitglieder wird der Tarifvertrag offiziell unterzeichnet und tritt in Kraft. Der Tarifvertrag hat eine bindende Wirkung für die Mitglieder der verhandelnden Gewerkschaften und die beteiligten Arbeitgeber – mit allen, schon oben beschriebenen, Nachteilen für Arbeitnehmer, die sich bewusst nicht einer Gewerkschaft anschließen möchten.

Mit der Annahme des Tarifvertrags durch die Gewerkschaftsmitglieder wird der Vertrag rechtlich bindend. Dies markiert den Beginn der Implementierungsphase, in der die vereinbarten Bedingungen in die Praxis umgesetzt werden. Die Laufzeit des neuen Tarifvertrags wird im Laufe der Verhandlungen ebenfalls festgelegt und kann je nach Verhandlung unterschiedlich sein.

Nachwirkung und Neuverhandlungen

Bereits vor dem Ende der Laufzeit beginnt der beschriebene Kreislauf von neuem: Arbeitnehmervertreter evaluieren die bestehenden Verträge, sammeln erneut die Anliegen der Belegschaft und bereiten sich auf die nächsten Tarifverhandlungen vor. So wird sichergestellt, dass die Arbeitsbedingungen regelmäßig überprüft werden und sich beispielsweise Löhne und Arbeitszeitregeln mit Blick auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmer und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kontinuierlich weiterentwickeln.

Fazit: Wie funktionieren Tarifverhandlungen?

Tarifverhandlungen bilden einen unverzichtbaren Bestandteil des sozialen Dialogs zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Sie ermöglichen es, Arbeitsbedingungen fair und demokratisch zu gestalten. Dazu erfordern sie ein hohes Maß an Verhandlungsgeschick, Geduld und oft auch Kompromissbereitschaft.

Das Instrument ist komplex und für Außenstehende häufig intransparent. Insbesondere die gesetzlich garantierte “Monopolstellung” der Gewerkschaften ist heutzutage zunehmend kritisch zu sehen, da die klare Mehrheit der Arbeitnehmer in Deutschland gar nicht in einer Gewerkschaft organisiert ist. Daher wäre eine Modernisierung des Ablaufs von Tarifverhandlungen und eine Gleichbehandlung unterschiedlicher Arbeitnehmergruppen wünschenswert und mehr als überfällig. Das gilt insbesondere für unabhängige Arbeitnehmer, die sich bewusst gegen eine Mitgliedschaft und gegen das Mittragen von Gewerkschaftspolitik entschieden haben.

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