Die Konjunktur lahmt, viele Branchen sehen sich starken Umsatzrückgängen und einer schwierigen Marktsituation gegenüber. Die Wirtschaftskrise hat Folgen für zahlreiche Arbeitnehmende: Eine wachsende Zahl an Insolvenzen bringt Arbeitsplätze in Gefahr, darüber hinaus denkt so mancher Arbeitgeber angesichts der angespannten Lage über betriebsbedingte Kündigungen nach. In diesem Artikel erhalten Sie einen Überblick zu Gründen, Voraussetzungen und Folgen von betriebsbedingten Kündigungen.
Inhaltsverzeichnis:
- Was sind betriebsbedingte Kündigungen?
- Gründe für betriebsbedingte Kündigungen
- Betriebsbedingte Kündigungen: Voraussetzungen und rechtlicher Rahmen
- Sozialauswahl und die Kriterien
- Form und Frist einer betriebsbedingten Kündigung
- Abfindung bei betriebsbedingten Kündigungen
- Fazit: Umsichtig vorgehen, Rat einholen und nichts überstürzen
Was sind betriebsbedingte Kündigungen?
Betriebsbedingte Kündigungen stellen einen der komplexesten Bereiche des Arbeitsrechts dar. Sie haben für Arbeitnehmende naheliegenderweise schwerwiegende und weitreichende Konsequenzen. Deshalb ist es wichtig, alle Aspekte gründlich zu verstehen, angefangen bei den rechtlichen Grundlagen bis hin zu den Auswirkungen auf die betroffenen Arbeitnehmenden.
Der Begriff macht es bereits deutlich: Betriebsbedingte Kündigungen erfordern eine Lage im Unternehmen, die aus Sicht des Arbeitgebers eine Reduktion der Beschäftigtenlage unausweichlich machen – zum Beispiel das Einstellen eines Produkt- oder Geschäftsbereichs, die Schließung einer oder mehrerer Standorte oder nachhaltige Umsatzrückgänge, die sich voraussichtlich nicht wieder steigern lassen. Eine Kündigung, die allein auf persönlichen Erwägungen basiert, darf nicht als betriebsbedingte Kündigung deklariert werden!
Gründe für betriebsbedingte Kündigungen
Die Gründe für betriebsbedingte Kündigungen sind vielfältig und in der Regel wirtschaftlicher beziehungsweise konjunktureller Natur, erläutert Ingrid Brand-Hückstädt, Fachanwältin für Arbeitsrecht: „Die möglichen Gründe reichen beispielsweise von der Einstellung der Produktion bestimmter Produkte, über die Schließung von Betriebsteilen, bis hin zu grundlegenden strukturellen Veränderungen innerhalb des Unternehmens oder der Branche. Wichtig ist, dass die Gründe für die Kündigung tatsächlich im Betrieb begründet sind und nicht etwa in persönlichen Gründen oder der Leistung der Mitarbeiter.“
Betriebsbedingte Kündigungen: Voraussetzungen und rechtlicher Rahmen
Die rechtlichen Anforderungen an eine betriebsbedingte Kündigung sind hoch. Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) in Deutschland setzt strenge Maßstäbe an, um die Rechte der Arbeitnehmer zu wahren. Gemäß § 1 Abs. 2 KSchG ist die Gültigkeit einer Kündigung aus betrieblichen Gründen an das Vorliegen dringender betriebsinterner Notwendigkeiten geknüpft.
Es muss nachgewiesen werden, dass:
- dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen, die eine Weiterbeschäftigung unmöglich machen.
- kein anderer Arbeitsplatz im Unternehmen (auch nicht durch Umschulung oder Weiterbildung) zur Verfügung steht.
- eine soziale Auswahl unter den potenziell kündbaren Mitarbeitenden erfolgt ist, die Kriterien wie Lebensalter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung berücksichtigt.
Ein wichtiger Hinweis in diesem Zusammenhang: „Ein temporärer Rückgang der Aufträge oder eine vorübergehende Schließung des Betriebs allein reichen nicht aus, um den Bedarf an Arbeitskräften dauerhaft entfallen zu lassen“, macht Juristin Ingrid Brand-Hückstädt weiter deutlich.
Alternative Beschäftigungsmöglichkeiten als Voraussetzung
Bevor eine Kündigung aus betrieblichen Gründen ausgesprochen wird, muss überprüft werden, ob im Unternehmen alternative freie Stellen vorhanden sind, die eine Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters ermöglichen könnten. Eine Kündigung ist nur dann rechtens, wenn keine solchen Stellen verfügbar sind. Existieren hingegen verfügbare Arbeitsplätze und könnte der Mitarbeiter in einer dieser Stellen weiterarbeiten, wäre eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtmäßig.
„Hier ist ein starker und kompetenter Betriebsrat gefragt, der die Interessen der Kolleginnen und Kollegen vertritt und sich fachkundig, beispielsweise durch die unabhängige Arbeitnehmervertretung AUB, beraten lässt“, sagt AUB-Vorstandsvorsitzender Rainer Knoob.
Die Rolle des Betriebsrates
Der Betriebsrat nimmt generell eine wichtige Rolle im Prozess der betriebsbedingten Kündigung ein. Er hat ein Informations-, Beratungs- und gegebenenfalls ein Widerspruchsrecht. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Betriebsrat über die geplanten Kündigungen zu informieren, die Gründe darzulegen und die Kriterien der Sozialauswahl zu diskutieren. Der Betriebsrat kann seinerseits Vorschläge machen, um Kündigungen zu vermeiden oder ihre Folgen abzumildern.
Sozialauswahl und die Kriterien
Die Sozialauswahl bildet einen zentralen Aspekt der betriebsbedingten Kündigung. Ziel ist es dabei, die Folgen der Kündigung möglichst gerecht zu verteilen. Dies bedeutet, dass nicht einfach willkürlich Mitarbeitende ausgewählt werden können, die möglicherweise als unerwünscht gelten.
Für die Sozialauswahl werden typischerweise Punkte nach folgenden Kriterien vergeben:
- Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Lebensalter
- Unterhaltspflichten (verheiratet und/oder mit Kindern)
- Schwerbehinderung
„In der Regel sind von einer betriebsbedingten Kündigung eher jüngere, unverheiratete und gesunde Mitarbeiter betroffen, die noch nicht lange im Unternehmen sind“, berichtet Rainer Knoob weiter. Bei älteren Mitarbeitenden wiederum kann ein bevorstehendes Rentenalter bei der Sozialauswahl berücksichtigt werden.
Die Sozialauswahl hat jedoch ihre Grenzen. Leitende Angestellte oder Mitarbeiter mit spezifischen, unverzichtbaren Kenntnissen können unter Umständen von der Sozialauswahl ausgenommen werden.
Form und Frist einer betriebsbedingten Kündigung
Eine betriebsbedingte Kündigung muss in schriftlicher Form erfolgen und dem Empfänger im Original vorliegen, um wirksam zu sein. Die Wirksamkeit tritt erst mit dem Erhalt der schriftlichen Kündigungserklärung im Original beim Mitarbeiter ein. Der Arbeitgeber muss in der Regel den Nachweis erbringen, dass die Kündigung tatsächlich zugestellt wurde.
Die Einhaltung der Kündigungsfrist ist ebenfalls erforderlich. Diese Fristen sind üblicherweise in den Arbeitsverträgen festgelegt. Fehlen solche Regelungen, gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen. Weitere formale Anforderungen können sich ergeben, wenn der Arbeitgeber mitbestimmungspflichtig ist, zum Beispiel durch die obligatorische Anhörung des Betriebsrats oder die Notwendigkeit, bei schwerbehinderten Mitarbeitern die Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen.
Besondere Regelungen bei Massenentlassungen
Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern sollten die Bestimmungen des § 17 KSchG beachten, wenn sie beabsichtigen, mehreren Beschäftigten gleichzeitig zu kündigen. Vor der Zustellung der Kündigungserklärungen ist eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit erforderlich. Ist ein Betriebsrat vorhanden, muss dieser in das Verfahren einbezogen werden. Die Nichtbeachtung dieser Vorschriften kann zur Unwirksamkeit aller Kündigungen führen.
Kündigungsschutz und Klageverfahren
Arbeitnehmer, die eine betriebsbedingte Kündigung erhalten haben, haben das Recht, dagegen Klage beim Arbeitsgericht einzureichen. „Eine solche Klage muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erhoben werden“, erklärt Anwältin Ingrid Brand-Hückstädt. Im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens wird überprüft, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Dies umfasst die Prüfung der wirtschaftlichen Notwendigkeit, der korrekten Durchführung der Sozialauswahl und der Einhaltung der Kündigungsfristen.
Abfindung bei betriebsbedingten Kündigungen
Auch wenn nicht in jedem Fall eine direkte gesetzliche Pflicht zur Zahlung einer Abfindung besteht, ist es üblich, dass Arbeitnehmenden im Falle einer betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung angeboten wird. Fällt das Arbeitsverhältnis unter das Kündigungsschutzgesetz, kann ohnedies ein rechtlicher Anspruch gemäß § 1a KSchG bestehen.
Im Kündigungsschreiben kann der Arbeitgeber den Mitarbeitenden ein Abfindungsangebot vorschlagen, wenn dies im Gegenzug auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet. Die Frist für eine solche Klage nach § 4 KSchG beträgt drei Wochen und beginnt mit dem Erhalt der Kündigung
Höhe des Abfindungsanspruchs
Die Höhe der Abfindung kann variieren und hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Dauer der Betriebszugehörigkeit, dem Lebensalter des Arbeitnehmers und den Umständen der Kündigung.
Formel zur Berechnung der Abfindung
Häufig wird die Abfindung auf der Grundlage eines halben oder eines ganzen Monatsgehalts pro Jahr der Betriebszugehörigkeit berechnet. Angefangene Jahre werden in der Regel aufgerundet, wenn bereits mehr als sechs Monate verstrichen sind. Der berechnete Monatsverdienst schließt neben den Gehaltszahlungen auch Sachleistungen ein. Umfassende Informationen zur Abfindungshöhe sowie eine Formel für eigene Berechnungen finden Sie in diesem separaten Blog-Artikel auf unserer Website.
Gut zu wissen: Wer als Arbeitnehmer auf ein Abfindungsangebot gemäß § 1a KSchG nicht innerhalb der Drei-Wochen-Frist reagiert, erleidet keine Nachteile beim Bezug von Arbeitslosengeld, insbesondere entsteht keine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe.
Fazit: Umsichtig vorgehen, Rat einholen und nichts überstürzen
Betriebsbedingte Kündigungen sind ein schwerwiegendes und hoch emotionales Thema, das eine sorgfältige Vorbereitung erfordert. Als Betroffener sollten Sie nichts überstürzen und – soweit dies möglich ist – kühlen Kopf bewahren. Arbeitnehmer sollten in jedem Fall ihre Rechte kennen und gegebenenfalls rechtzeitig juristischen Rat einholen: Die AUB berät Sie gerne! Denn durch ein umsichtiges Vorgehen können die negativen Auswirkungen einer betriebsbedingten Kündigung minimiert werden.