In kürzester Zeit hat sich Künstliche Intelligenz (KI) vom Nischenthema für Technikfans zu einem prägenden Megatrend gemausert. Alle haben inzwischen erste Erfahrungen mit KI-Helfern wie Gemini am Smartphone gemacht oder sich von ChatGPT einen Weihnachtsgruß für die Eltern entwerfen lassen. Doch hinter dem Technologie-Trend steckt viel mehr: eine nachhaltige und tiefgreifende Veränderung der gesamten Arbeitswelt.

Es dürfte kaum eine Branche geben, die nicht von den Umwälzungen betroffen sein wird.

Um Schritt zu halten im Wettbewerb, sind Unternehmen regelrecht gezwungen, sich intensiv mit den Möglichkeiten von KI-Anwendungen und immer stärker automatisierten Geschäftsprozessen zu beschäftigen. Zugleich wächst vielfach die Unsicherheit unter Arbeitnehmenden: Wie verändert sich der eigene Arbeitsplatz, gerät dieser womöglich in Gefahr – und welche Rechte und Pflichten gelten in der neuen KI-Welt? Einen besonderen Meilenstein markierte Anfang August 2024 die EU-Verordnung über Künstliche Intelligenz, der sogenannte AI Act. In diesem Artikel beleuchten wir, welche Auswirkungen neue rechtliche Regelungen auf Ihren Arbeitsalltag haben könnten.

Inhaltsverzeichnis

  1. Was bedeutet KI im Arbeitsrecht?
  2. Der AI Act der Europäischen Union im Überblick
  3. AI Act: Auswirkungen auf Arbeitnehmende
  4. Kompetenzsicherung als Arbeitgeberpflicht
  5. KI und Arbeitsrecht: Rolle der Betriebsräte
  6. Fazit

Was bedeutet KI im Arbeitsrecht?

Künstliche Intelligenz verändert nicht nur viele alltägliche Dinge, sondern hat auch umfassende Auswirkungen in arbeitsrechtlicher Hinsicht. „Mit der rasant zunehmenden Verwendung von KI-Tools wie dem Sprachmodell ChatGPT am Arbeitsplatz nehmen ebenso schnell auch rechtlichen Fragestellungen zu“, erklärt Ingrid Brand-Hückstädt, renommierte Fachanwältin für Arbeitsrechte und AUB-Rechtsexpertin: „Zu relevanten Themen zählen beispielsweise datenschutzrechtliche Fragen, der Schutz vor Diskriminierung durch Algorithmus-basierte Entscheidungen oder Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmervertretung beim Einsatz intelligenter Systeme.“

KI: Fast jeder Unternehmensbereich ist betroffen

Arbeitnehmende und Betriebsräte sollten nicht unterschätzen, in wie vielen und dabei auch sehr unterschiedlichen Bereichen eines Unternehmens die KI inzwischen wesentliche Aufgaben übernimmt. In einem separaten Blogartikel zum Thema KI in der Arbeitswelt haben wir uns bereits mit diesen Fragen auseinandergesetzt.

Die Bandbreite reicht beispielsweise von einer automatisierten Bewerberauswahl über die Arbeitszeiterfassung bis hin zur KI-gesteuerten Leistungsüberwachung. „Die daraus resultierenden Folgen lassen sich häufig noch gar nicht in Gänze überblicken. Umso wichtiger ist eine Sensibilisierung zu diesen Themen – nicht nur auf Ebene der Entscheider sowie der Betriebsräte, sondern auch bei jedem einzelnen Beschäftigten“, unterstreicht Ingrid Brand-Hückstädt weiter.

Der AI Act der Europäischen Union im Überblick

Die KI-Verordnung (AI Act) der Europäischen Union hat das Ziel, den Einsatz von KI-Anwendungen umfassend zu regulieren. Dies soll eine sichere Nutzung von KI gewährleisten und den Arbeitnehmenden sowie Unternehmen klare rechtliche Rahmenbedingungen bieten. Dabei ist längst noch nicht in der Allgemeinheit bekannt, dass die Verordnung bereits Gültigkeit besitzt.

Das Europäische Parlament hat dem AI Act mehrheitlich am 13. März 2024 zugestimmt, am 2. August 2024 trat die Verordnung damit in Kraft – als weltweit erstes Gesetz zu Fragen der Künstlichen Intelligenz. Zwar gilt aktuell noch eine Übergangsfrist, bis der AI Act in vollem Umfang gilt  – doch die Uhr tickt, zudem sind erste Bestimmungen bereits heute zu beachten.

Risikoklassen von KI und ihre Bedeutung

Dazu zählt unter anderem die Einteilung von KI-Systemen nach Risikoklassen:

RisikokategorieBeschreibung
UnzulässigKI-Systeme, die grundlegende Rechte verletzen
HochrisikoSysteme, die erhebliche Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen haben (zum Beispiel Recruiting-Software)
BegrenztSysteme mit geringem Risiko, bei denen Transparenzanforderungen gelten
MinimalSysteme ohne signifikante Risiken

Der AI Act schreibt außerdem regelmäßige Risikobewertungen und Dokumentationspflichten für Hochrisiko-Systeme vor.

Zeitliche Meilensteine des AI Act

Bei der weiteren Umsetzung des AI Act waren und sind folgende terminlichen Meilensteine entscheidend:

  • 2. Februar 2025: Verbot von KI-Systemen mit inakzeptablem Risiko und Inkrafttreten der Anforderungen für AI Literacy (Kapitel 1 & 2)
  • 2. August 2025: Inkrafttreten von Governance-Regeln und Verpflichtungen für GPAI-Anbieter, sowie von Regelungen zu Benachrichtigungen an Behörden und Geldstrafen (Kapitel 3, 5, 7, 12 & Artikel 78)
  • 2. August 2026: Ende der 24-monatigen Übergangsphase. Verpflichtungen für Hochrisiko-KI-Systeme treten in Kraft (Artikel 6(2) & Annex III)
  • 2. August 2027: Verpflichtungen für Hochrisiko-KI-Systeme als Sicherheitskomponente treten in Kraft (Artikel 6(1) und der gesamte EU AI Act findet Anwendung.

Welche arbeitsrechtlichen Aspekte regelt der AI Act?

„Auch bezüglich arbeitsrechtlicher Aspekte enthält der AI Act wesentliche Aspekte, die insgesamt noch viel mehr Aufmerksamkeit verdienen“, sagt Ingrid Brand-Hückstädte. Zu den relevanten Themen zählen unter anderem:

  • Transparenzpflichten: Arbeitnehmende müssen über den Einsatz und die Funktionsweise von KI-Systemen informiert werden.
  • Datenschutz: Der AI Act ergänzt bestehende Datenschutzvorschriften, um besonders sensible Arbeitnehmerdaten besser zu schützen.
  • Diskriminierungsverbot: KI-Anwendungen dürfen nicht diskriminierend wirken. Unternehmen müssen sicherstellen, dass KI-basierte Entscheidungen gerecht und überprüfbar sind.
  • Kompetenzsicherung: Arbeitgeber sind verpflichtet, sicherzustellen, dass Mitarbeitende angemessen im Umgang mit KI geschult sind.

Rechtliche Konsequenzen bei Verstößen gegen den AI Act

Unternehmen, die gegen die Bestimmungen der Artikel 16 oder 26 der KI-Verordnung verstoßen, müssen mit erheblichen Sanktionen rechnen. Die Strafen können bis zu 15 Millionen Euro oder bis zu 3 % des globalen Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres betragen. Arbeitnehmende können zudem individuelle Ansprüche geltend machen, falls sie durch KI-Systeme benachteiligt wurden.

AI Act: Auswirkungen auf Arbeitnehmende

Schauen wir uns die Handlungsfelder rund ums Arbeitsrecht und KI nun noch genauer an. Welche Rechte und Pflichten kommen auf Sie als Arbeitnehmer bezogen auf die genannten Themenfelder zu?

Datenschutz und Privatsphäre

Als Arbeitnehmer haben Sie ein Recht darauf, dass Ihre Daten geschützt und vertraulich behandelt werden. KI-Systeme, die beispielsweise zur Leistungsüberwachung oder Personalbewertung eingesetzt werden, müssen strengen Datenschutzanforderungen genügen. Der AI Act schreibt hier klare Schutzstandards vor.

Transparenz und Mitbestimmung

Sie haben ein Anrecht auf umfassende Informationen darüber, wie und warum KI-Systeme im Betrieb eingesetzt werden. Vor allem Betriebsräte haben künftig ein deutlich stärkeres Mitbestimmungsrecht. Sie können so aktiv Einfluss nehmen, wenn es um die Einführung neuer KI-Technologien geht.

Diskriminierungsschutz

Ein häufiges Problem bei KI-Systemen ist, dass Algorithmen unbewusst Vorurteile übernehmen können. Der AI Act verpflichtet Unternehmen dazu, Diskriminierungen durch KI-Systeme zu verhindern und dies regelmäßig zu überprüfen. Falls Sie von einer automatisierten Entscheidung betroffen sind, haben Sie das Recht, diese Entscheidung überprüfen zu lassen.

KI-Kompetenzen und Weiterbildung

Unternehmen sind verpflichtet, Ihnen entsprechende Qualifikationen im Umgang mit KI zu ermöglichen. Durch verpflichtende Weiterbildungen soll sichergestellt werden, dass niemand durch den technologischen Fortschritt abgehängt wird. Unser Tipp: Nutzen Sie diese Möglichkeit aktiv, um Ihre berufliche Zukunft zu sichern.

Ingrid Brand-Hückstädt erläutert dazu aus rechtlicher Sicht: „Die KI-Verordnung gibt keine exakten Vorgaben, wie das geforderte ausreichende Maß an KI-Kompetenz zu erreichen ist oder wann dies als erfüllt gilt. Es liegt in der Verantwortung des Arbeitgebers, ein tragfähiges Konzept zu erarbeiten, das es den Beschäftigten ermöglicht, fundierte Entscheidungen im Umgang mit KI-Systemen zu treffen.“

Die Ausgestaltung solcher Qualifizierungsmaßnahmen hängt vom jeweiligen Kontext ab – etwa von der Branche, den Einsatzfeldern der KI sowie den damit verbundenen Risiken. Ebenso sind die Vorkenntnisse, die Ausbildung und die Erfahrung der Mitarbeitenden entscheidend, sowie der spezifische betriebliche Einsatzrahmen der Technologie.

Kompetenzsicherung als Arbeitgeberpflicht

Mit der Einführung von Artikel 4 der KI-Verordnung wird die Förderung von KI-Kompetenz zu einer zentralen Aufgabe für Arbeitgeber. Auch wenn keine direkten Sanktionen vorgesehen sind, sollten Unternehmen der Schulungsverpflichtung hohe Priorität einräumen. Ein gut strukturiertes Schulungskonzept hilft nicht nur dabei, regulatorische Anforderungen zu erfüllen, sondern sorgt auch für einen verantwortungsbewussten und sicheren Einsatz von KI im Unternehmen.

Struktur für das KI-Management

Gut ausgebildete Mitarbeitende können die Systeme effizienter und mit geringerem Risiko nutzen – was letztlich auch einen strategischen Vorteil im Wettbewerb darstellen kann. Neben gezielten Schulungen sollten Unternehmen auch eine übergreifende Struktur für das KI-Management schaffen. Ein sogenanntes “KI-Playbook” – bestehend aus Leitlinien und Nutzungsrichtlinien – kann eine Orientierungshilfe bieten und den sicheren Einsatz von KI unterstützen.

Tipps: Das können Arbeitnehmende tun

  • Informieren Sie sich proaktiv über die KI-Systeme, die in Ihrem Betrieb eingesetzt werden.
  • Nutzen Sie Schulungsangebote Ihres Arbeitgebers zum Umgang mit KI.
  • Wenden Sie sich an Ihren Betriebsrat, wenn Sie Fragen zur Einführung neuer KI-Systeme haben.
  • Fordern Sie Transparenz, besonders wenn KI-Systeme direkte Auswirkungen auf Ihre Arbeitsbedingungen oder -chancen haben.
  • Zögern Sie nicht, Ihre Rechte auf Datenschutz und Diskriminierungsschutz aktiv wahrzunehmen, falls diese verletzt werden.

KI und Arbeitsrecht: Rolle der Betriebsräte

Betriebsräte spielen eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, Arbeitnehmende bei der Einführung und Nutzung von KI in Unternehmen zu schützen. Zu den Aufgaben der Betriebsräte gehört es, die Einhaltung von Datenschutz, Diskriminierungsschutz und Transparenzpflichten zu überwachen. Zudem können sie eigene Forderungen durchsetzen.

Beteiligung des Betriebsrats bei KI-Einführung

Plant ein Unternehmen künstliche Intelligenz (KI) im Betrieb einzusetzen, ist es zwingend erforderlich, den Betriebsrat frühzeitig einzubeziehen und transparent zu informieren. Bereits in der Planungsphase muss gemäß § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG eine frühzeitige Information des Betriebsrats erfolgen.

Darüber hinaus ist der Einsatz von KI-Systemen in vielen Fällen mitbestimmungspflichtig nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber den Einsatz verbindlich vorgibt oder eigene KI-Anwendungen bereitstellt. Gleiches trifft auf interne Regelwerke zur Nutzung von KI zu. Lediglich die freiwillige Nutzung zum Beispiel von ChatGPT über persönliche Accounts fällt laut einem Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg nicht unter die Mitbestimmungspflicht.

Risiken kennen und vorbeugend aktiv werden

Wird KI im Arbeitsalltag genutzt, besteht das Risiko, dass Mitarbeitende unbeabsichtigt gegen Datenschutzvorgaben verstoßen oder urheberrechtlich geschützte Inhalte verletzen. Für daraus entstehende Schäden haftet im Außenverhältnis in der Regel der Arbeitgeber. Umso wichtiger ist es, klare Vorgaben für den Einsatz von KI festzulegen und sich als Betriebsrat im Interesse der Kolleginnen und Kollegen aktiv in die betrieblichen Diskussionen einzuschalten.

Fazit

Künstliche Intelligenz verändert das Arbeitsrecht von Grund auf. Betriebsräte spielen eine Schlüsselrolle dabei, um Arbeitnehmende bei der Einführung von KI zu schützen. Sie überwachen unter anderem die Einhaltung von Datenschutz, Diskriminierungsschutz und Transparenzpflichten und können eigene Forderungen durchsetzen. Sie möchten mehr erfahren? Unsere Schulungsangebote für Betriebsräte behandeln laufend aktuelle Themen. Auch bei der Neugründung eines Betriebsrates unterstützen wir Sie gerne aktiv – sprechen Sie uns an!

AI Act – und die Auswirkungen auf Arbeitnehmende

Der AI Act bringt auch für Arbeitnehmende viele neue Rechte und Pflichten mit sich. Je besser Sie informiert sind, desto besser können Sie auch Einfluss auf die Entwicklung und Nutzung von KI in Ihrem Arbeitsumfeld nehmen. Unsere wichtigsten Empfehlungen lauten daher:

  • Nutzen Sie betriebliche Schulungen.
  • Fordern Sie Transparenz.
  • Wenden Sie sich bei Unklarheiten an Ihren Betriebsrat.
  • Schützen Sie aktiv Ihre Daten und Privatsphäre.
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