Zeitarbeit, auch als Arbeitnehmerüberlassung oder Leiharbeit bekannt, ist längst kein Randphänomen mehr. Durchschnittlich fast 730.000 Menschen befanden sich im Jahr 2024 laut offizieller Zahlen deutschlandweit in einem entsprechenden Arbeitsverhältnis. Doch was macht dieses Angebot offenbar so interessant? Zeitarbeit stellt für zahlreiche Menschen eine Möglichkeit dar, wieder Fuß auf dem Arbeitsmarkt zu fassen, erste Berufserfahrungen zu sammeln oder sich flexibel auf neue berufliche Anforderungen einzustellen.

Neben diesen – zumindest vermeintlichen – Vorteilen weist Zeitarbeit allerdings auch eine Reihe von gravierenden Nachteilen auf. Für viele Menschen ist dieser Form der Beschäftigung mit vielen Unsicherheiten, oft über Jahre hinweg, einer deutlich schlechteren Bezahlung als der Stammkräfte des Unternehmens und ähnlichen Herausforderungen verbunden. Wer eine Tätigkeit als Zeitarbeitnehmer in Betracht zieht, sollte sich deshalb gut informieren sowie Pro und Contra gründlich abwägen. Im folgenden Artikel finden Sie einen umfassenden Überblick über das Thema Zeitarbeit sowie die damit verbundenen Vor- und Nachteile für Arbeitnehmer – mit allen Chancen, Risiken und praktischen Tipps für den Arbeitsalltag.

Inhaltsverzeichnis

  1. Was ist Zeitarbeit?
  2. Warum ist Zeitarbeit für Arbeitnehmer interessant?
  3. Vorteile der Zeitarbeit für Arbeitnehmer
  4. Nachteile der Zeitarbeit für Arbeitnehmer
  5. Zeitarbeit in der Praxis: Für wen eignet Sie sich?
  6. Zeitarbeit: Vorteile und Nachteile im Überblick
  7. Fazit
  8. FAQs

Was ist Zeitarbeit?

Der Begriff der Zeitarbeit beschreibt ein dreiseitiges Arbeitsverhältnis zwischen einem Zeitarbeitsunternehmen, einem beauftragenden Unternehmen, das Arbeitskräfte sucht, sowie den Arbeitnehmern. In diesem Fall sieht das Arbeitsverhältnis folgendermaßen aus: Die Zeitarbeitsfirma schließt mit Ihnen einen Arbeitsvertrag ab und überlässt Ihre Arbeitskraft – meist befristet – an andere Unternehmen. Dort erbringen Sie Ihre tatsächliche Arbeitsleistung. Formell jedoch bleibt das Zeitarbeitsunternehmen Ihr Arbeitgeber: Es zahlt Ihr Gehalt, übernimmt die Sozialversicherungsabgaben und ist Ansprechpartner für alle arbeitsrechtlichen Belange.

Rechtliche Grundlagen der Zeitarbeit

Dieses Modell ist gesetzlich im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geregelt. Zu den wesentlichen Vorgaben des AÜG gehört es, dass Zeitarbeitnehmer grundsätzlich Anspruch auf gleiche Bezahlung wie Stammkräfte haben (sogenanntes Equal Pay). Ingrid Brand-Hückstädt, renommierte Fachanwältin für Arbeitsrecht und AUB-Rechtsexpertin erklärt dazu: „Voraussetzung für den Anspruch auf Equal Pay ist, dass Sie mindestens neun Monate ununterbrochen in einem Entleihbetrieb tätig sind. Allerdings gibt es leider allzu viele Beispiele aus der Praxis, die zeigen, dass eine tatsächlich Gleichbezahlung weiterhin nicht gewährleistet ist.“

Weniger Lohn für dieselbe Arbeit: Dass diese traurige und höchst kritikwürdige Praxis weiterhin gang und gäbe ist, spiegelt sich in vielen arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen wider. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist ein Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 31. Mai 2023 (5 AZR 143/19). Im konkreten Fall hatte eine Leiharbeitnehmerin aufgrund einer Ungleichbehandlung gegenüber der Stammbelegschaft geklagt. Diese Tarifpraxis wurde vom BAG im Ergebnis bestätigt.

Warum ist Zeitarbeit für Arbeitnehmer interessant?

Dennoch: Grundsätzich kann Zeitarbeit kann aus unterschiedlichen Gründen attraktiv sein – abhängig von der individuellen Lebenssituation, weiteren beruflichen Zielen oder der aktuellen wirtschaftlichen Lage. Hier einige Argumente im Überblick:

  • Schneller Berufseinstieg: Für viele junge Menschen oder Berufseinsteiger ohne Erfahrung kann Zeitarbeit einen ersten Schritt in den Arbeitsmarkt bilden.
  • Überbrückung von Wartezeiten: Wer auf einen festen Job wartet oder sich in einer Übergangsphase befindet, kann über Zeitarbeit Einkünfte sichern.
  • Einblicke in verschiedene Branchen: Zeitarbeit bietet die Chance, unterschiedliche Unternehmensstrukturen und Arbeitsweisen kennenzulernen.
  • Wiedereinstieg nach Auszeit: Ob Elternzeit, Krankheit oder längere Arbeitslosigkeit – Zeitarbeit kann helfen, wieder beruflich Fuß zu fassen.
  • Regionale Nähe: Viele Zeitarbeitsfirmen bieten wohnortnahe Einsätze, was besonders nützlich ist für Familien und vorherige Pendler, die kürzere Arbeitswege anstreben.
  • Neustart nach Migration: Für Menschen mit ausländischem Berufsabschluss oder Sprachbarrieren kann Zeitarbeit eine Tür in den deutschen Arbeitsmarkt öffnen.

Vorteile der Zeitarbeit für Arbeitnehmer

Zeitarbeitsunternehmen haben einen großen Bedarf an Personal. Das senkt die Einstiegshürden erheblich, insbesondere für Menschen mit möglicherweise lückenhaften Lebensläufen, gesundheitlichen Einschränkungen oder mangelnden Qualifikationen. Ein weiteres Argument sind die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten: Ob Industrie, Handwerk, Logistik, Pflege oder Verwaltung – Zeitarbeit kann in zahlreichen Bereichen erfolgen. Wer sich noch nicht auf eine Branche festlegen will, sammelt somit wichtige Praxiserfahrungen.

Karriere- und Übernahmechancen

Manche Unternehmen nutzen die Zeitarbeit zudem als verlängerte Probezeit. Das heißt: Wenn Sie sich im Einsatzbetrieb bewähren, bestehen zumindest in der Theorie Chancen auf eine Festanstellung – auch wenn derartige Erfolgsbeispiel in der Praxis der Arbeitswelt weiterhin eher die Ausnahme bilden. Ein weiterer Aspekt: Anders als bei Werkverträgen oder Freiberuflichkeit steht bei Zeitarbeit ein regulärer Arbeitsvertrag dahinter. Das bedeutet: Anspruch auf Sozialversicherung, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Kündigungsschutz sowie Mutterschutz und Elternzeit.

Tarifliche Regelungen sorgen für Mindeststandards

Viele Zeitarbeitsunternehmen sind tariflich organisiert. Damit gelten verbindliche Regelungen zu Arbeitszeit, Zuschlägen, Urlaub, Sonderzahlungen und Mindestentgelten. Seit 1. März 2025 beträgt der Mindestlohn in der Zeitarbeit 14,53 Euro (Stand: Juni 2025) – häufig wird aber auch mehr gezahlt.

Wer sich gegen eine langfristige Festanstellung entscheidet oder privaten Verpflichtungen nachkommen möchte, kann von flexiblen Einsatzzeiten und Teilzeitmodellen profitieren. Auch Sabbaticals oder längere Auszeiten zwischen den Einsätzen sind möglich.

Berufliche Orientierung und Netzwerkaufbau

Zeitarbeit kann ein Türöffner für die persönliche Weiterentwicklung sein: Neue Aufgabenfelder, unterschiedliche Kolleginnen und Kollegen, wechselnde Teams – all das erweitert Ihre berufliche und soziale Kompetenz. Sie knüpfen Kontakte, die später hilfreich sein können.

Auch Zeitarbeitnehmer genießen den Schutz durch das Arbeitsrecht: Kündigungsschutz, Gleichbehandlung, Arbeitszeitregelungen – das alles gilt ebenfalls im Leiharbeitsverhältnis.

Nachteile der Zeitarbeit für Arbeitnehmer

Zu einer ehrlichen Beurteilung von Zeitarbeit gehört, die definitiv vorhandenen, nicht unerheblichen Nachteile für Sie als Arbeitnehmer offen anzusprechen. Im Folgenden finden Sie wesentliche Aspekte, die Sie bei Ihrer Entscheidung berücksichtigen sollten, im Überblick:

Geringere Bezahlung als Stammkräfte

Trotz gesetzlicher Regelungen verdienen Zeitarbeitnehmer häufig weniger als direkt angestellte Mitarbeitende. Wie vorhin schon beschrieben: Das Prinzip „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“ ist längst keine Selbstverständlichkeit. Das liegt an unterschiedlichen Eingruppierungen oder fehlenden betrieblichen Zusatzleistungen wie Weihnachtsgeld oder Prämien.

„Diese Ungleichbehandlung ist nicht nur ein großer Nachteil der Zeitarbeit. Diese faktische Schlechterstellung von Arbeitskräften bei identischen Aufgaben und identischen Arbeitsleistungen ist auch ethisch aus unserer Sicht nicht vertretbar“, unterstreicht der AUB-Vorstandsvorsitzender Rainer Knoob: „Wir plädieren ganz energetisch für ein Equal Payment von festangestellten eigenen Mitarbeitenden und Zeitarbeitskräften.“

Fehlende Planungssicherheit

Zeitarbeit ist oft von kurzen Einsatzzeiten geprägt. Wenn ein Projekt endet, ist mitunter unklar, wann und wo der nächste Einsatz folgt – und vor allem wie es in der Zwischenzeit persönlich und finanziell weitergeht. Diese Unsicherheit erschwert nicht nur die finanzielle Planung, sondern kann auch psychisch belastend sein.

Soziale Ausgrenzung im Betrieb

Viele Leiharbeitnehmer berichten davon, sich als „Mitarbeiter zweiter Klasse“ zu fühlen. Sie erhalten seltener Einladungen zu gemeinsamen Aktivitäten wie Betriebsfeiern, sind nicht selten von internen Schulungen ausgeschlossen oder werden bei der internen Kommunikation übergangen. Das erschwert die Integration.

Häufige Wechsel

Ein ständiger Wechsel des Einsatzortes, der Arbeitskollegen und der Aufgabenbereiche kann anstrengend sein. Besonders Familien mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen stoßen hier an organisatorische Grenzen.

Eingeschränkte Aufstiegsmöglichkeiten

Karriereförderung ist in der Zeitarbeit oft kein Thema. Fach- und Führungskarrieren finden in der Regel im Entleihbetrieb statt – nicht bei der Zeitarbeitsfirma. Damit bleiben viele Türen verschlossen.

Geringere Weiterbildungschancen

Obwohl gesetzlich ein Anspruch auf Weiterbildung besteht, erhalten Zeitarbeitnehmer seltener Angebote für Schulungen oder Qualifikationen. Das hemmt die berufliche Weiterentwicklung.

Befristete Verträge

In manchen Fällen erhalten Zeitarbeitnehmer lediglich projektbezogene, befristete Verträge. Das kann zu Unsicherheit führen – gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten. Und, wie schon kurz geschildert: Die Zahl der Erfolgsbeispiele, in denen aus der Zeitarbeit eine Festanstellung im einsetzenden Unternehmen wurde, sind leider noch viel zu selten, als dass man hier von einem grundlegenden Vorteil sprechen könnte.

Zeitarbeit in der Praxis: Für wen eignet sie sich?

Kurzum: Zeitarbeit weist handfeste, bedenkenswerte Nachteile auf und passt somit garantiert nicht zu jedem Lebensentwurf. Sie kann gleichwohl, zumindest übergangsweise, überlegenswert sein für:

  • Berufseinsteiger, die Praxiserfahrung sammeln wollen
  • Arbeitssuchende, die schnell wieder ins Berufsleben einsteigen möchten
  • Quereinsteiger, die neue Branchen oder Tätigkeitsfelder erkunden
  • Teilzeitkräfte, die flexible Einsatzzeiten schätzen
  • Menschen in Übergangsphasen, zum Beispiel zwischen Ausbildung und Studium
  • Personen mit Migrationshintergrund, die erste Berufserfahrung in Deutschland sammeln möchten

Wichtig ist: Informieren Sie sich vorab über die Konditionen der jeweiligen Zeitarbeitsfirma. Fragen Sie gezielt nach Einsatzdauer, tariflicher Bindung, Übernahmechancen und Weiterbildungsmöglichkeiten. Überlegen Sie sich gut, ob Sie das System der Ungleichbehandlung tatsächlich mittragen möchten.

Rechtlicher Rahmen der Zeitarbeit

Die Arbeitnehmerüberlassung ist gesetzlich streng geregelt. Zu den wichtigsten Bestimmungen gehören:

  • Höchstüberlassungsdauer: Ein Zeitarbeitnehmer darf höchstens 18 aufeinanderfolgende Monate im selben Entleihbetrieb beschäftigt werden.
  • Equal Pay: Nach spätestens neun Monaten müssen Zeitarbeitnehmer den gleichen Lohn wie vergleichbare Stammkräfte erhalten – zumindest in der Theorie.
  • Tarifverträge: Viele Zeitarbeitsfirmen unterliegen Tarifverträgen, um Mindeststandards sicherzustellen.
  • Schriftformpflicht: Der Vertrag über die Arbeitnehmerüberlassung muss schriftlich geschlossen werden.
  • Informationspflichten: Zeitarbeitnehmer müssen vor dem Einsatz über wesentliche Arbeitsbedingungen informiert werden.

Diese Regelungen dienen dem Schutz der Beschäftigten und sollen Missbrauch verhindern. Dennoch ist es ratsam, Verträge genau zu prüfen und sich bei Unklarheiten rechtlich beraten zu lassen.

Zeitarbeit: Vor- und Nachteile im Überblick

Vorteile der Zeitarbeit für ArbeitnehmerNachteile der Zeitarbeit für Arbeitnehmer
Schneller (Wieder-) Einstieg in den ArbeitsmarktMeist geringerer Lohn als Festangestellte  
Vielfältige Einblicke in Branchen und UnternehmenGeringe Planungssicherheit  
Möglichkeit zur Übernahme in FestanstellungWeniger Bindung an Einsatzbetrieb
Fester Arbeitsvertrag mit SozialversicherungHäufig wechselnde Einsatzorte
Tarifliche Mindestlöhne und SonderleistungenEingeschränkte Karriere- und Aufstiegschancen
Flexible Arbeitszeiten und TeilzeitoptionenSoziale Ausgrenzung im Betrieb
Persönliche Weiterentwicklung durch wechselnde AufgabenGeringe Weiterbildungsangebote  

Fazit

Keine Frage, beim Instrument der Zeitarbeit handelt es sich um ein zweischneidiges Schwert: Einerseits bietet Zeitarbeit Chancen für den beruflichen Einstieg, Flexibilität und neue Perspektiven. Andererseits sind die Nachteile – insbesondere bei Bezahlung und langfristiger Planung – erheblich. Wenn Sie Zeitarbeit als Übergangslösung nutzen, bewusst verschiedene Branchen kennenlernen oder Ihre Beschäftigungsfähigkeit erhalten wollen, kann dieses Modell unter Umständen sinnvoll sein.

Eine Dauerlösung dürfte dies jedoch nur für die allerwenigsten sein. Für eine dauerhafte berufliche Perspektive empfiehlt es sich stattdessen, parallel aktiv nach Festanstellungen oder Weiterqualifizierungen zu suchen. Die Empfehlung der AUB Geschäftsstelle lautet daher: Entscheidend ist, dass Sie Ihre Rechte kennen, Verträge sorgfältig prüfen und sich nicht unter Wert verkaufen.

FAQs: Häufige Fragen zur Zeitarbeit

Verdient man in der Zeitarbeit weniger?

Ja, oft liegt der Verdienst unter dem von Festangestellten. Tarifverträge und Equal Pay sollen jedoch für eine – zumindest schrittweise – Anpassung sorgen.

Habe ich als Zeitarbeiter Anspruch auf Urlaub?

Selbstverständlich – der gesetzliche Urlaubsanspruch gilt auch in der Zeitarbeit. Tarifverträge regeln häufig zusätzliche Urlaubstage.

Kann ich vom Einsatzbetrieb übernommen werden?

Ja, manche Unternehmen übernehmen engagierte Zeitarbeitnehmer nach einem erfolgreichen Einsatz und bieten somit eine längerfristige berufliche Perspektive. Doch dies sind noch viel zu wenige Arbeitgeber.

Wie flexibel sind die Einsatzzeiten?

Das hängt vom konkreten Auftrag ab. Manche Einsätze sind kurzfristig, andere langfristig planbar.

Welche Branchen sind für Zeitarbeit typisch?

Zu klassischen Einsatzfeldern zählen Industrie, Logistik, Pflege, Handwerk und Einzelhandel.

Bin ich sozial abgesichert?

Ja, über die Zeitarbeitsfirma profitieren Sie vom üblichen Sozialversicherungsschutz.

Was passiert bei Krankheit?

Sie erhalten Lohnfortzahlung durch Ihren Arbeitgeber – also die Zeitarbeitsfirma.

Kann ich einen Einsatz ablehnen?

Das ist möglich, sollte aber fair kommuniziert und gegebenenfalls vertraglich geregelt sein.

Welche Rechte habe ich bei Kündigung?

Sie haben wie jeder andere Arbeitnehmer Anspruch auf Kündigungsschutz und gegebenenfalls eine Abfindung.

Wie finde ich eine seriöse Zeitarbeitsfirma?

Achten Sie auf Qualitätsmerkmale wie Tarifbindung, transparente Verträge und Bewertungen ehemaliger Mitarbeiter, die Sie beispielsweise auf unabhängigen Portalen nachvollziehen können.

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