Der gesetzliche Kündigungsschutz zählt ohne Zweifel zu den wichtigsten Instrumenten des Arbeitsrechts, das Arbeitnehmende in Deutschland absichert. Doch was bedeutet dieser Schutz genau? In welchen Situationen greift er, welche Ausnahmen gibt es? Gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten wie aktuell beschäftigen sich viele mit diesen und weiteren Fragen.
Im folgenden Artikel erhalten Sie die wichtigsten Antworten, die Sie rund um das Thema Kündigungsschutz kennen sollten – von den grundsätzlichen gesetzlichen Regelungen bis hin zu speziellen Situationen wie Krankheit, Schwangerschaft oder einer Tätigkeit im Betriebsrat.
Inhaltsverzeichnis
- Allgemeiner Kündigungsschutz – Grundlagen und Kriterien
- Voraussetzungen für den Kündigungsschutz
- Was tun im Fall einer Kündigung?
- Rechtliche Details zum Kündigungsschutz
- Fazit
Allgemeiner Kündigungsschutz – Grundlagen und Kriterien
Die rechtlichen Regelungen, mit denen sich dieser Artikel befasst, basieren auf dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG). „Der Gesetzgeber verfolgt damit die Ziel, Arbeitnehmenden Sicherheit zu bieten und sie vor willkürlichen, sozial ungerechtfertigten Kündigungen im Stile einer Hire and fire-Unternehmensstrategie zu schützen“, erläutert dazu Ingrid Brand-Hückstädt, renommierte Fachanwältin für Arbeitsrecht und AUB-Expertin.
Wörtlich heißt es in KSchG §1: „Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.“
Was ist ein gerechtfertigter Kündigungsgrund?
Eine reguläre Kündigung ist laut der Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes nur dann gerechtfertigt, wenn sie aus personenbedingten, verhaltensbedingten oder betriebsbedingten Gründen erfolgt. Jede dieser drei Kündigungsarten setzt zudem bestimmte Gegebenheiten voraus. Doch was verbirgt sich hinter diesen Begriffen?
- Personenbedingte Gründe: Dauerhafte Arbeitsunfähigkeit oder fachliche Qualifikationsmängel.
- Verhaltensbedingte Gründe: Regelmäßige Pflichtverletzungen oder ein gravierendes Fehlverhalten des Arbeitnehmers.
- Betriebsbedingte Gründe: Arbeitsplatzverlust durch Umstrukturierungen oder wirtschaftliche Schwierigkeiten im Unternehmen.
Ab wann gilt der Kündigungsschutz?
Der Kündigungsschutz gilt für die meisten Beschäftigten – aber nicht für alle. Zwei entscheidende Voraussetzungen müssen erfüllt sein:
- Das Arbeitsverhältnis muss mindestens sechs Monate bestehen. Dabei handelt es sich um die sogenannte Wartezeit laut Kündigungsschutzgesetz.
- Das Unternehmen muss nach heutigem Stand des Rechts regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigen.
„Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, steht den Mitarbeitenden der gesetzliche Kündigungsschutz umfassend zu. Vertragliche Abweichungen, die zu Lasten des Arbeitnehmers gehen, sind rechtlich nicht zulässig“, unterstreicht Fachanwältin Ingrid Brand-Hückstädt weiter. Darüber hinaus ist der sogenannte besondere Kündigungsschutz zu beachten: Er gilt für schutzwürdige Arbeitnehmende, dazu zählen unter anderem Schwangere oder Menschen mit Einschränkungen.
Einschränkungen des Kündigungsschutzes in Kleinbetrieben
Besonderheiten sind bei sogenannten Kleinbetrieben zu beachten: Gemäß §23 des Kündigungsschutzgesetzes gibt es Ausnahmen, wenn ein Unternehmen weniger als fünf beziehungsweise weniger als zehn Mitarbeiter beschäftigt. Dieser sogenannte Schwellenwert wurde vom Gesetzgeber wiederholt geändert. Zuletzt geschah dies 1996 im Bundestag durch die Erhöhung von fünf auf mindestens zehn Beschäftigte.
Damit kommt es, wie so oft im Rechtswesen, auf die Details an: Hat das Arbeitsverhältnis am 1. Januar 2004 oder später begonnen, so findet das KSchG Anwendung, wenn in dem Betrieb in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmenden, ausschließlich der Auszubildenden, beschäftigt sind.
Hat das Arbeitsverhältnis bereits am 31. Dezember 2003 bestanden, so findet das KSchG Anwendung, wenn in dem Betrieb am 31. Dezember 2003 in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmende, ausschließlich der Auszubildenden, beschäftigt waren. Dabei werden Beschäftigte, die nach dem 31. Dezember 2003 neu eingestellt worden sind, nicht mitgezählt.
Was tun bei einer Kündigung?
Wichtig zu wissen für Arbeitnehmende, die eine Kündigung erhalten: Auch wenn die Kündigung sozialwidrig ist und somit geltendem Recht widerspricht, ist sie nicht automatisch ungültig und rechtsunwirksam – stattdessen liegt es in der Hand des betroffenen Mitarbeitenden, selbst tätig zu werden.
Fristen für rechtliche Schritte
Ingrid Brand-Hückstädt erklärt die rechtliche Situation: „Eine vermeintlich sozialwidrige Kündigung muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang durch eine Kündigungsschutzklage gemäß § 4 KSchG gerichtlich angefochten werden. Verstreicht diese Frist, gilt die Kündigung nach § 7 KSchG rückwirkend als wirksam – selbst, wenn sie ursprünglich sozial ungerechtfertigt war.“
Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 14 des Nachweisgesetzes (NachwG) ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer schriftlich – entweder im Arbeitsvertrag oder in der Niederschrift der wesentlichen Arbeitsbedingungen – auf diese maßgebliche Klagefrist hinzuweisen.
Welche Kündigungsfristen sind zu beachten?
Die Kündigungsfristen für Arbeitnehmende sind in § 622 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) geregelt: Wie lange diese Frist im Einzelfall ist, richtet sich nach der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses. Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, beträgt sie mindestens zwei Wochen. Danach verlängert sich die Frist gestaffelt abhängig von der Länge der Betriebszugehörigkeit – nach 15 Jahren beträgt sie beispielsweise sechs Monate zum Monatsende.
Kündigungsfristen im Überblick
Betriebszugehörigkeit (ab … Jahren) | Kündigungsfrist zum Monatsende |
2 Jahre | ein Monat |
5 Jahre | zwei Monate |
8 Jahre | drei Monate |
10 Jahre | vier Monate |
12 Jahre | fünf Monate |
15 Jahre | sechs Monate |
20 Jahre | sieben Monate |
Ingrid Brand-Hückstädt sagt weiter: „Davon abweichende Regelungen können durch einen Tarifvertrag oder den individuellen Arbeitsvertrag vereinbart werden.“ Zum Thema Arbeitslosigkeit und wie Sie in dieser Situation handeln können, haben wir viele Informationen und Tipps in einem weiteren Blogartikel zusammengefasst.
Kündigung und Abfindung
In bestimmten Fällen – etwa bei einer betriebsbedingten Kündigung – kann ein Anspruch auf eine finanzielle Abfindung bestehen, welche der Arbeitgeber zu leisten hat. Dabei ist zu beachten, dass Abfindungen steuerpflichtig sind. In diesem Blogartikel können Sie nachlesen, welche Abfindung Ihnen zustehen könnte.
Rechtliche Details zum Kündigungsschutz
So weit die gesetzliche Grundlage. Nur was gilt in besonderen Arbeits- oder Lebenssituationen? Wie steht es beispielsweise um den Kündigungsschutz im Fall einer Schwangerschaft, bei einer länger anhaltenden Krankheit – und wie ist die rechtliche Lage für besondere Berufsgruppen oder Führungskräfte?
Sonderregelungen auf einen Blick
Ein besonderer gesetzlicher Kündigungsschutz greift für zahlreiche Arbeitnehmende. Die Grundlage dafür bilden unter anderem folgende gesetzliche Regelungen:
- Mitglieder des Betriebsrats – § 15 Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
- Einberufene zum Wehrdienst – Arbeitsplatzschutzgesetz (ArbPlSchG)
- Auszubildende nach Abschluss der Ausbildung – § 2 Kündigungsschutzgesetz
- Menschen mit Schwerbehinderung – §§ 168 bis 175 Sozialgesetzbuch IX (SGB IX)
- Schwangere Beschäftigte – § 17 Mutterschutzgesetz (MuSchG)
- Mütter nach der Geburt
- Eltern in Elternzeit – Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG), insbesondere § 18
- Auszubildende während der Ausbildung – § 22 Berufsbildungsgesetz (BBiG)
- Angehörige mit Pflegeverantwortung – § 5 Pflegezeitgesetz (PflegeZG)
Im Folgenden schauen wir uns einige Regeln im Detail an.
Kündigungsschutz bei Krankheit
Ein krankheitsbedingter Kündigungsschutz gilt zwar nicht absolut, jedoch sind die Hürden sehr hoch, um einen erkrankten Mitarbeiter zu entlassen. Dazu zählen folgende Aspekte:
- Nachweisbare erhebliche krankheitsbedingte Ausfälle.
- Negative Prognose über zukünftige Erkrankungen.
- Massive betriebliche Auswirkungen durch krankheitsbedingte Abwesenheit, keine Alternativen im Unternehmen möglich.
Laut der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung anhand eines dreistufigen Prüfverfahrens zu beurteilen:
1. Stufe: Prognose zur zukünftigen gesundheitlichen Entwicklung
Zunächst muss festgestellt werden, ob zum Zeitpunkt der Kündigung die Annahme gerechtfertigt ist, dass auch künftig mit weiteren, erheblichen Krankheitszeiten zu rechnen ist. Diese sogenannte negative Gesundheitsprognose bildet die Grundlage für die weitere Prüfung.
2. Stufe: Erhebliche Auswirkungen auf betriebliche oder wirtschaftliche Belange
In einem zweiten Schritt ist zu beurteilen, ob die zu erwartenden Ausfallzeiten zu einer erheblichen Belastung der betrieblichen Abläufe oder zu wirtschaftlichen Nachteilen für den Arbeitgeber führen.
3. Stufe: Abwägung der beiderseitigen Interessen
Abschließend erfolgt eine Interessenabwägung: Es wird geprüft, ob dem Arbeitgeber die betrieblichen oder wirtschaftlichen Beeinträchtigungen angesichts der individuellen Situation des Arbeitnehmers weiterhin zumutbar sind.
Kündigungsschutz während Probezeit
Wichtig zu wissen für alle, die gerade den Arbeitgeber gewechselt haben: Während einer bis zu sechsmonatigen Probezeit gilt der allgemeine Kündigungsschutz nicht. „Arbeitgeber können innerhalb der vertraglich vereinbarten Probezeit mit einer zweiwöchigen Frist kündigen. Eine Begründung ist in diesem Fall nicht erforderlich“, schildert Juristin Ingrid Brand-Hückstädt. Trotzdem sind beispielsweise diskriminierende oder sittenwidrige Kündigungen selbstverständlich auch während der Probezeit unzulässig.
Kündigungsschutz bei Behinderung
Behinderte oder gleichgestellte Arbeitnehmer genießen einen stark ausgeprägten Kündigungsschutz. Vor einer Kündigung muss zwingend die Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt werden. Hierbei werden umfassende sozialmedizinische und arbeitsrechtliche Faktoren berücksichtigt.
Kündigungsschutz im Minijob
Auch Minijobber haben den vollen Kündigungsschutz, wenn die allgemeinen Voraussetzungen erfüllt sind (zum Beispiel hinsichtlich der Zugehörigkeitsdauer zum Betrieb und der Zahl der Mitarbeitenden im Unternehmen). Das heißt, eine Kündigung muss auch hier sozial gerechtfertigt sein.
Kündigungsschutz in der Zeitarbeit
Zeitarbeitnehmer profitieren ebenfalls vom Kündigungsschutz des Einsatzbetriebes, sobald sie sechs Monate dort tätig sind. Dieser Schutz entspricht dann exakt dem der regulären Arbeitnehmenden im Einsatzbetrieb.
Kündigung während der Pflegezeit
Wer sich zuhause um einen pflegebedürftigen Angehörigen kümmert, kann im Rahmen des Pflegezeitengesetzes (kurz: PflegeZG) gegenüber dem Arbeitgeber eine Pflegezeit ankündigen. Sechs Monate vorher und während der Pflegezeit ist eine Kündigung nur außerordentlich möglich. Auch hier ist die Zustimmung von behördlicher Seite zwingend erforderlich.
Kündigungsschutz im öffentlichen Dienst
Im öffentlichen Dienst gelten besonders strikte Regelungen, diese werden oft zusätzlich durch Tarifverträge geregelt. Es werden strengere Maßstäbe hinsichtlich sozialer Rechtfertigung und Kündigungsfristen gesetzt.
Kündigungsschutz bei Schwangerschaft
Schwangere Arbeitnehmerinnen genießen nahezu uneingeschränkten Kündigungsschutz während der Schwangerschaft und bis zu vier Monate nach der Entbindung. Eine Kündigung ist nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde und bei sehr außergewöhnlichen Umständen möglich.
Kündigungsschutz in Elternzeit
Während der Elternzeit gilt ebenfalls ein umfassender Kündigungsschutz. Kündigungen sind nur in Ausnahmesituationen mit behördlicher Zustimmung möglich. Der Schutz besteht während der gesamten Elternzeit. Weitere Informationen zum Thema Elternzeit finden Sie auch in einem weiteren Blogartikel.
Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder
Mitglieder des Betriebsrats genießen einen starken Kündigungsschutz. Kündigungen während und bis ein Jahr nach der Amtszeit sind nur mit Zustimmung des Betriebsrats und aus schwerwiegenden Gründen möglich. Dies dient dazu, den Mitgliedern des Betriebsrates eine engagierte Arbeit im Interesse ihrer Kolleginnen und Kollegen zu ermöglichen, ohne dass sie permanent um ihren Job fürchten müssen. Weitergehende Aspekte der Rechte und Pflichten von Betriebsräten haben wir in einem weiteren Artikel für Sie zusammengefasst,
Kündigungsschutz für leitende Angestellte
Leitende Angestellte sind zwar geschützt, jedoch ist der Schutz gegenüber der weiteren Belegschaft deutlich abgeschwächt. Häufig gelten für sie individuell vereinbarte vertragliche Bedingungen.
Fazit
Der gesetzliche Kündigungsschutz bietet Arbeitnehmern in Deutschland ein starkes rechtliches Instrumentarium gegen ungerechtfertigte Kündigungen. Um diese Rechte effektiv wahrnehmen zu können, ist es ratsam, gut informiert zu sein und frühzeitig fachlichen Rat einzuholen. Die Mitarbeiter der AUB Geschäftsstelle stehen Ihnen jederzeit für ein unverbindliches Gespräch zur Verfügung. Grundsätzlich gilt: Prüfen Sie jede Kündigung exakt und zögern Sie nicht, im Zweifelsfall nach einer Beratung durch einen Juristen für Arbeitsrecht weitere rechtliche Schritte zu ergreifen.