Das Arbeitszeugnis ist für Berufstätige von enormer Bedeutung – und birgt daher wenig überraschend auch eine Vielzahl an Fallstricken. Schließlich begleitet dieses Dokument Ihre Bewerbungen oft über Jahre und ist in großem Maße dafür entscheidend, ob Sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden.
Deshalb sollten Arbeitnehmende beim Arbeitszeugnis nichts dem Zufall überlassen. In diesem Artikel erfahren Sie, wie es um Ihren rechtlichen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis bestellt ist, welche Rechte und Fristen Sie kennen sollten, wie ein qualifiziertes Arbeitszeugnis aufgebaut ist und – besonders wichtig – wie Sie Formulierungen entschlüsseln.
Inhalt
- Arbeitszeugnis: Definition und rechtliche Grundlagen
- Einfaches oder qualifiziertes Arbeitszeugnis: Aufbau und Inhalte
- Zwischenzeugnis: Anspruch und Anlässe
- Arbeitszeugnis anfordern: Formulierung
- Form & Ton im Arbeitszeugnis
- Arbeitszeugnis prüfen: Checkliste
- Fazit
Arbeitszeugnis: Definition und rechtliche Grundlagen
Als schriftliche Beurteilung ist das Arbeitszeugnis von zentraler Bedeutung für alle, die sich erfolgreich bewerben möchten. Daher sind die Anforderungen klar: Das Zeugnis soll eindeutig die Art und Dauer der Tätigkeit dokumentieren (dann spricht man von einem „einfachen Zeugnis“) und idealerweise auch die Leistung des Arbeitnehmenden („qualifiziertes Zeugnis“) beschreiben.
Gesetzlicher Anspruch auf ein Arbeitszeugnis
Gut zu wissen für Arbeitnehmende: Sie haben bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen gesetzlichen Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis – mindestens als einfaches Zeugnis, um neue Bewerbungen auf den Weg bringen zu können. Ingrid Brand-Hückstädt, AUB-Rechtsexpertin und renommierte Fachanwältin für Arbeitsrecht erklärt: „Arbeitnehmende können zudem verlangen, dass sich die Angaben auch auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis, also in Form eines qualifizierten Zeugnisses, erstrecken.”
Außerdem gilt: Zeugnisse müssen klar und verständlich formuliert sein; versteckte Hinweise (eine etwaige „Geheimsprache“) sind unzulässig. Das steht ausdrücklich in § 109 GewO. Für bestimmte Konstellationen greifen zusätzliche Normen, zum Beispiel § 630 BGB für Dienstverhältnisse außerhalb klassischer Arbeitsverhältnisse oder für Auszubildende das BBiG.
Wahrheit und Wohlwollen im Arbeitszeugnis
Die Rechtsprechung betont zwei Prinzipien: Wahrheit und Wohlwollen. Das Zeugnis darf Ihr Fortkommen nicht ungerechtfertigt erschweren – darf aber auch keine objektiv falschen Lobeshymnen enthalten. Ebenso bekräftigt das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Pflicht zur Klarheit: doppeldeutige oder codierte Aussagen sind tabu.
„Nach aktueller Gesetzeslage kann das Zeugnis mit Ihrer Einwilligung elektronisch erteilt werden, zum Beispiel als qualifiziert signiertes PDF“, sagt Ingrid Brand-Hückstädt weiter. In der Praxis bleibt allerdings das Papieroriginal noch weiter verbreitet, aber § 109 Abs. 3 GewO lässt ausdrücklich E-Formen zu.
Einfaches oder qualifiziertes Arbeitszeugnis: Aufbau und Inhalte
Ein einfaches Arbeitszeugnis enthält lediglich die wichtigsten grundlegenden Informationen zu Art und Dauer Ihrer Beschäftigung. Damit ist es eher geeignet für sehr kurze Tätigkeiten – oder wenn keine belastbare Leistungsbeurteilung möglich ist.
Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis enthält zusätzlich eine Leistungsbeurteilung (Fachkenntnisse, Arbeitsbereitschaft, Arbeitsweise, Arbeitserfolg) und eine Verhaltensbeurteilung (gegenüber Vorgesetzten, Kolleg:innen, Kund:innen).
Typischer Aufbau eines qualifizierten Zeugnisses
- Überschrift
- Einleitung (Person/Position/Zeitraum)
- Aufgaben/Tätigkeiten
- Leistungsbeurteilung
- Verhaltensbeurteilung
- ggf. Führungsleistung
- Beendigungsgrund (neutral)
- Schlussformel (Dank/Bedauern/Wünsche, fakultativ)
- Datum/Unterschrift
Wie schnell muss das Zeugnis kommen?
Es besteht keine starre gesetzliche Frist, aber der Arbeitgeber muss „zeitnah“ ein Zeugnis ausstellen. In der Praxis gelten – je nach Größe des Unternehmens – circa zwei bis sechs Wochen als üblich. Bei einer unberechtigten Verzögerung können Sie mahnen.
Arbeitszeugnis Frist: Verjährung & Ausschlussfristen
Gut zu wissen: Der Anspruch auf ein Arbeitszeugnis verjährt in der Regel nach drei Jahren (§ 195 BGB), beginnend zum Jahresende des Austrittsjahres. Beispiel: Ende des Arbeitsverhältnisses am 31. März 2025 – Frist bis 31. Dezember 2028. Darüber hinaus können Tarif- oder Arbeitsverträge kürzere Fristen für die Geltendmachung vorsehen. Prüfen Sie daher bei Bedarf Ihre Verträge.
Zwischenzeugnis: Anspruch und Anlässe
Ein Zwischenzeugnis wird während des laufenden Arbeitsverhältnisses ausgestellt. Ein genereller gesetzlicher Anspruch besteht nicht – aber die Gerichte erkennen den Anspruch bei berechtigtem Interesse an. Das gilt etwa bei einem Vorgesetztenwechsel, einem innerbetrieblichen Wechsel, wenn Sie sich bewerben möchten, es zu betrieblichen Veränderungen gekommen ist oder längere Unterbrechungen (etwa die Elternzeit) auftreten.
Tipp: Bitten Sie zeitnah um ein Zwischenzeugnis, wenn einer der Anlässe absehbar ist – die Beurteilung ist dann aktueller und später leichter in ein mögliches Endzeugnis zu überführen.
Arbeitszeugnis anfordern: Formulierung
Mit dem folgenden Mustertext können Sie Ihr Zeugnis in korrekter Form anfordern:
Betreff: Bitte um Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses
Sehr geehrte/r …,
hiermit fordere ich Sie gemäß § 109 GewO auf, mir spätestens bis zum [konkretes Datum nennen, beispielsweise in 14 Tagen] ein qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen.
Das Zeugnis soll meine Aufgaben, Leistungen und mein Verhalten abbilden sowie die Beschäftigungsdauer nennen.
Bitte senden Sie es an folgende Anschrift … / oder stellen Sie mir eine Abholung in der Personalabteilung bereit.
Vielen Dank und freundliche Grüße
[Unterschrift]
Formaler Hinweis: Das Gesetz verlangt kein bestimmtes Antragsformat – der schriftliche Weg (E-Mail oder Brief) ist aber sinnvoll, weil nachweisbar. In Bewerbungsphasen können Sie zusätzlich um ein vorläufiges Zeugnis bitten – faktisch ein Zwischenzeugnis kurz vor Ihrem Austritt aus dem Unternehmen.
Form & Ton im Arbeitszeugnis
Das Prinzip bei der Formulierung von Arbeitszeugnissen lautet „wahr und wohlwollend“: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) betont in seiner regelmäßigen Rechtsprechung seit Jahren, dass Zeugnisse wahr sein müssen, gleichzeitig wohlwollend formuliert werden und verständlich sein müssen – ohne geheime Codes.
Klarheit statt „Geheimsprache“
So untersagt § 109 Abs. 2 GewO Merkmale und Formulierungen, die eine andere Aussage transportieren sollen, als der Wortlaut erkennen lässt. Codierungen („stets bemüht“ gleichbedeutend mit durchgefallen) sind rechtlich höchst heikel – in der Praxis haben sich dennoch standardisierte Wendungen etabliert, die als Note verstanden werden. Im Zweifelsfall sollten Sie Ihr Arbeitszeugnis durch einen unabhängigen Personalexperten gegenchecken lassen.
Auf ausgewogene Bewertung achten
Rechtsexpertin Ingrid Brand-Hückstädt weist auf einen weiteren Trend hin: „In der Praxis zeigt sich leider immer häufiger, dass Zeugnisse auf Grund ihrer Gleichförmigkeit und äußerst positiven Beurteilungen bei Personalern nicht mehr auf hohe Glaubwürdigkeit stoßen. Man sollte deshalb darauf achten, dass Verhalten, Leistung und das Gesamtbild des Zeugnisses ein ausgewogenes Bild über die Person abgeben.“
Auch wenn eine „Geheimsprache“ rechtlich unzulässig ist, hat sich doch eine gängige Lesart herausgebildet. Achten Sie besonders auf Superlative und Zeitadverbien („stets“, „jederzeit“). Schon kleine Abweichungen verändern die Note. Hier einige gängige Formulierungen im Überblick:
Arbeitszeugnis richtig entschlüsseln
Typische Formulierung im Zeugnis | Übliche „Note“ | Einordnung |
„stets zur vollsten Zufriedenheit” | 1 (sehr gut) | Konstante Leistung weit über den Erwartungen: „stets“ + Superlativ |
„stets zur vollen Zufriedenheit“ | 2 (gut) | Durchgehend über dem Soll, aber ohne Superlativ |
„zur vollen Zufriedenheit“ (ohne „stets“) | Erwartungen erfüllt, keine Konstanzbetonung | |
„zur Zufriedenheit“ | 4 (ausreichend) | Teilerfüllung, unter dem Soll |
„im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit“ | 5 (mangelhaft) | Teils unzureichend – Warnsignal. |
„hat sich stets bemüht“ | 5 bis 6 | Einsatz statt Ergebnis; deutlicher Negativcode. |
jederzeit einwandfreies/vorbildliches Verhalten“ | 1 bis 2 | Sozialverhalten sehr gut/gut (Achtung: fehlt das „jederzeit“, sinkt die Note |
„solides Fachwissen“ | „zur vollen Zufriedenheit“ (ohne „stets“) | Mittelmaß, Worte wie „umfassend / insbesondere fundiert“ deuten auf bessere Beurteilungen |
Ein wichtiger Hinweis: Diese Lesarten entsprechen allgemeinen Verständnisregeln, es handelt sich jedoch nicht um eine mathematische Wissenschaft. Entscheidend ist der Gesamteindruck im Zusammenspiel aller Passagen des Arbeitszeugnisses.
Schlussformel: Dank/Bedauern/Wünsche
Die Rechtsprechung sagt: Es besteht kein einklagbarer Anspruch auf eine Dankes- oder Wunschformel. Aber: Hat der Arbeitgeber einmal eine positive Schlussformel erteilt, darf er sie bei einer späteren Korrektur nicht einfach streichen (Maßregelungsverbot).
Arbeitszeugnis prüfen: Checkliste
Folgende Daten und Informationen in Ihrem Arbeitszeugnis sollten in jedem Fall korrekt sein. „Prüfen Sie dies am besten bei Erhalt des Arbeitszeugnisses sofort und mahnen Sie bei Fehlern direkt eine Korrektur an“, lautet die Empfehlung von Fachanwältin Ingrid Brand-Hückstädt. Weitere Fragen beantworten Ihnen auch die Mitarbeitenden der AUB Geschäftsstelle.
Dies sollte stimmen:
- Vollständigkeit & Aufbau: Einleitung (Name, Position, Zeitraum), präzise Tätigkeitsbeschreibung, Leistung, Verhalten, ggf. Nennung einer Führungsaufgabe, Beendigungsgrund (neutral), Schlussformel (optional), Datum, Unterschrift.
- Klarheit & Ton: Keine Doppeldeutigkeiten; fair, wahr und wohlwollend; keine verbotenen Codes.
- Konsistenz: Einzelbewertungen und Schlussurteil passen zusammen
- Notenlogik: Achten Sie auf „stets“, Superlative, Zeitbezug („jederzeit“). Stimmen Leistung und Verhalten?
Fazit
Ein aussagekräftiges Arbeitszeugnis ist kein Nice-to-have, sondern ein entscheidender Schlüssel für Ihre zukünftigen Bewerbungen. Sie haben bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis – idealerweise als qualifiziertes Zeugnis. Es muss wahr, wohlwollend und verständlich formuliert sein, versteckte Codes sind unzulässig. Fordern Sie Ihr Zeugnis schriftlich an und beachten Sie Fristen: In der Regel verjährt der Anspruch nach drei Jahren ab Jahresende des Austrittsjahres; tarifliche oder vertragliche Ausschlussfristen können kürzer sein.
Praktisch heißt das: Bitten Sie bei berechtigtem Interesse frühzeitig um ein Zwischenzeugnis, prüfen Sie den Aufbau sowie die Konsistenz der Bewertungen und achten Sie auf Signalwörter wie „stets“, „jederzeit“ und Superlative. Weichen der Ton, der Inhalt oder der Gesamteindruck von Ihrer tatsächlichen Leistung ab, verlangen Sie eine Korrektur – sachlich, mit Verweis auf Klarheit und Wohlwollen. Nutzen Sie die Checkliste, bewahren Sie Nachweise auf und holen Sie bei Bedarf unabhängigen Rat ein. So stellen Sie sicher, dass Ihr Zeugnis Ihre Qualifikationen bestmöglich widerspiegelt.